Frau bei der Kosmetik: Die meisten weiblichen Selbstständigen in Deutschland arbeiten in der Körperpflegebranche © picture alliance / Andreas Arnold/dpa-tmn
  • Von Andreas Harms
  • 08.07.2022 um 14:16
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Die Bundesregierung will Selbstständige verpflichten, fürs Alter vorzusorgen. Eine entsprechende Passage im Koalitionsvertrag hat immerhin einen Fehler früherer Pläne beseitigt. Das ist ja schon mal was. In anderer Hinsicht hat das Vorhaben jedoch noch Mängel.

Imke Strunk legt Geld für später zurück. „In der Software-Entwicklung sind hohe Stundensätze die Regel. Dadurch bin ich in der Lage, über Aktien und ETFs vorzusorgen und zusätzlich Kapital für Immobilieninvestitionen zu nutzen“, sagt die selbstständige Softwarespezialistin aus dem schleswig-holsteinischen Osdorf.

Als sie sich selbstständig machte, ließ sie sich zur Altersvorsorge beraten und informierte sich zusätzlich selbst. „Da ich über Versicherungen gegen Berufsunfähigkeit und Unfall abgesichert bin und keinen Hinterbliebenenschutz benötige, habe ich mich gegen die Einzahlung in die gesetzliche Rente entschieden, da mir die Anlage in ETFs erfolgversprechender erscheint“, sagt Strunk.

Sie hat Glück mit dem, was die Ampel-Regierung in ihren Koalitionsvertrag schrieb. Denn nach mehreren Versuchen durch die Vorgängerregierung – die Idee ist nicht neu – will Berlin definitiv erreichen, dass jeder Selbstständige in diesem Land fürs Alter vorsorgt. Das heißt jeder, der noch nicht verpflichtet ist, in die Rentenkasse oder ein vergleichbares System einzuzahlen. Wörtlich heißt es: „Wir werden für alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit einführen.“ Das soll Altersarmut bekämpfen, so der offizielle Grund. In früheren Varianten fehlte noch das Wörtchen „neuen“ vor den Selbstständigen. Damit wären dann alle gemeint gewesen, auch Imke Strunk. Das ist aber vom Tisch.

Selbstständige in Deutschland im Überblick
Einige Fakten zur Selbstständigenszene in Deutschland im Überblick (hier klicken, um zu vergrößern)

Für Andreas Lutz wäre es einem Albtraum gleichgekommen. „Lange Zeit ging der Gesetzgeber davon aus, dass jemand, der nicht in die gesetzliche Rente einzahlt, auch keine Altersvorsorge hat. Also könne man ja für diese wenigen Leute prüfen, ob sie eine ausreichende Vorsorge haben“, berichtet der Chef des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). Doch damit hätte man seiner Meinung nach – weil die zugrunde liegenden Annahmen nicht stimmen – einen „irrsinnigen bürokratischen Aufwand losgetreten“ (Zum Interview mit Andreas Lutz).

In der Tat hätte sich dann irgendeine Behörde jede Altersvorsorge ansehen und entscheiden müssen, ob sie ausreicht. Um am Ende eventuell das Prüfobjekt zu zwingen, seine eigenen Maßnahmen zu beenden und etwas angeblich Sinnvolleres zu machen? Zum Beispiel in die gesetzliche Rente einzahlen? Ein Schelm, der Arges dabei denkt.

„Große Mehrheit sorgt vor“

Die Grundidee, Selbstständige mit dem Druck des Gesetzbuchs zur Vorsorge zu bewegen, scheint grundsätzlich in Ordnung zu sein. „Meines Erachtens hätte diese Regelung bereits vor Jahren eingeführt werden müssen“, sagt Michael Hauer, Geschäftsführer beim Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP). Selbstständige seien zwar Meister in ihren Fachgebieten, würden aber die eigene Vorsorge allzu häufig vergessen oder nicht ernst genug nehmen. „Dadurch landen mehr Selbstständige in der Grundsicherung als uns lieb ist.“ (Ein Interview mit ihm lesen Sie hier)

Seite 2: Pro und Contra zur Vorsorgepflicht

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Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

kommentare
Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 2 Jahren

Eine Branche, einschließlich der Fachzeitschriften, die es nicht für notwendig erachtet die Jahrhundertidee mit 7 Erfolgsfaktoren für hohe Renditen zu beachten, schreit förmlich danach vom Staat bevormundet zu werden. Man bremst, vermeintlich im WISSEN alles besser zu können, Querdenker sind ja grundsätzlich bäh, dabei kann man diese bei Nichtgefallen direkt kostenfrei entsorgen.
Der geringe OBOLUS ist mit Sicherheit lächerlich, in aller Regel vom Endergebnis unter 0,1% die man ja den Vermittlern üblicherweise zur Bezahlung überlässt, der Grund für Desinteresse? Diese erzielen bei BAVs-etc., aktuell die Vollkatastrophe, die man ohne Chuzpe den Bürgern verkauft, besonders extreme Verluste. Ganz leise, nur nicht unser Hautgeschäft mit Alleistellung gefährden. Anwälte und Richter schlafen aber auch nur so lange bis IHRE Auszahlungen erbärmlich sind. Millionen Einzelfälle.
Es kann sich wohl niemand vorstellen, dass ein Produkt mit Begeisterung von allen Bürgern akzeptiert wird und damit, nicht mehr “VERBESSERBAR” jede staatliche Lösung ins Abseits stellt. Nach allen Kosten und Inflation bietet der gesamte Markt keine Chance auf reale Gewinne.
Der Staat mit gigantischem Beamtenpensionsdefizit, der nach Covid und dem unnötigen Krieg in der Ukraine auf Jahre mit Rohstoffen aller Art unterversorgt ist und gewaltige Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme wie immer erst registriert, wenn das Chaos da ist, ruiniert alles was über Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Schade das deutsche Volk hat Besseres verdient. Mit Methoden von Gestern die Zukunft zu gestalten, natürlich alles sehr vernünftig und vor allem fair und sicher, ist für die oberen 20% der Bürger vielleicht perfekt. Mit dem Blick in den Rückspiegel mit 100 in die Kurve, für die restlichen 80% eine vorhersehbare Katastrophe.
Die letzten 10 Wörter Jesus am Kreuz….

F. Peters
Vor 2 Jahren

Es ist unglaublich!
WAS ist nur seit bereits über 20 Jahren so schwer daran, ein Gesetz zu entwerfen, dass jeden Selbstständigen generell zwingt, exakt denselben Betrag in eine wie auch immer geartete und für immer gesperrte AV einzuzahlen, wie er es auch müsste wenn er Angestellter wäre.

Sprich: „Bedenke, wenn Du Dich selbstständig machst, dass wir (der Staat) nach einer Schonfrist von max. 2 Jahren einen entsprechenden Vertrag von Dir erwarten. Legst Du diesen nicht vor, entfällt die Befreiungsmöglichkeit aus der Gesetzlichen Rente (bis Du uns die rechtlich zugelassene Alternative vorlegst).
Ferner werden wir jedes Jahr überprüfen, ob Du den Vertrag noch bestehen hast. Liegt der Beitrag unter dem Satz, den Du bei gleichem Einkommen auch als Angestellter zahlen müsstest, fällst Du wieder zurück in die Gesetzliche RV .. usw…
Das ist manchen Weicheiern und permanent Empörten zu hart? Wieso denn!? Jeder Angestellte hat doch auch keine Wahl! .. und das ist auch gut so.

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Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 2 Jahren

Eine Branche, einschließlich der Fachzeitschriften, die es nicht für notwendig erachtet die Jahrhundertidee mit 7 Erfolgsfaktoren für hohe Renditen zu beachten, schreit förmlich danach vom Staat bevormundet zu werden. Man bremst, vermeintlich im WISSEN alles besser zu können, Querdenker sind ja grundsätzlich bäh, dabei kann man diese bei Nichtgefallen direkt kostenfrei entsorgen.
Der geringe OBOLUS ist mit Sicherheit lächerlich, in aller Regel vom Endergebnis unter 0,1% die man ja den Vermittlern üblicherweise zur Bezahlung überlässt, der Grund für Desinteresse? Diese erzielen bei BAVs-etc., aktuell die Vollkatastrophe, die man ohne Chuzpe den Bürgern verkauft, besonders extreme Verluste. Ganz leise, nur nicht unser Hautgeschäft mit Alleistellung gefährden. Anwälte und Richter schlafen aber auch nur so lange bis IHRE Auszahlungen erbärmlich sind. Millionen Einzelfälle.
Es kann sich wohl niemand vorstellen, dass ein Produkt mit Begeisterung von allen Bürgern akzeptiert wird und damit, nicht mehr “VERBESSERBAR” jede staatliche Lösung ins Abseits stellt. Nach allen Kosten und Inflation bietet der gesamte Markt keine Chance auf reale Gewinne.
Der Staat mit gigantischem Beamtenpensionsdefizit, der nach Covid und dem unnötigen Krieg in der Ukraine auf Jahre mit Rohstoffen aller Art unterversorgt ist und gewaltige Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme wie immer erst registriert, wenn das Chaos da ist, ruiniert alles was über Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Schade das deutsche Volk hat Besseres verdient. Mit Methoden von Gestern die Zukunft zu gestalten, natürlich alles sehr vernünftig und vor allem fair und sicher, ist für die oberen 20% der Bürger vielleicht perfekt. Mit dem Blick in den Rückspiegel mit 100 in die Kurve, für die restlichen 80% eine vorhersehbare Katastrophe.
Die letzten 10 Wörter Jesus am Kreuz….

F. Peters
Vor 2 Jahren

Es ist unglaublich!
WAS ist nur seit bereits über 20 Jahren so schwer daran, ein Gesetz zu entwerfen, dass jeden Selbstständigen generell zwingt, exakt denselben Betrag in eine wie auch immer geartete und für immer gesperrte AV einzuzahlen, wie er es auch müsste wenn er Angestellter wäre.

Sprich: „Bedenke, wenn Du Dich selbstständig machst, dass wir (der Staat) nach einer Schonfrist von max. 2 Jahren einen entsprechenden Vertrag von Dir erwarten. Legst Du diesen nicht vor, entfällt die Befreiungsmöglichkeit aus der Gesetzlichen Rente (bis Du uns die rechtlich zugelassene Alternative vorlegst).
Ferner werden wir jedes Jahr überprüfen, ob Du den Vertrag noch bestehen hast. Liegt der Beitrag unter dem Satz, den Du bei gleichem Einkommen auch als Angestellter zahlen müsstest, fällst Du wieder zurück in die Gesetzliche RV .. usw…
Das ist manchen Weicheiern und permanent Empörten zu hart? Wieso denn!? Jeder Angestellte hat doch auch keine Wahl! .. und das ist auch gut so.

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