Hat die Studie als Leiter begleitet: Ökonom Bernd Raffelhüschen. © Union Investment
  • Von Juliana Demski
  • 01.11.2021 um 16:33
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lesedauer Lesedauer: ca. 03:40 Min

Einer aktuellen Studie im Auftrag der Fondsgesellschaft Union Investment zufolge reicht die gesetzliche Rente im Alter nur für 47 Prozent des letzten Bruttoeinkommens. Um den gewohnten Lebensstandard zu halten, wären mindestens 60 Prozent nötig. Dies verdeutliche die Notwendigkeit von privater Vorsorge – und einer Rentenreform, so Studienleiter Bernd Raffelhüschen. Der Ökonom warnte davor, an der doppelten Haltelinie festzuhalten.

Wer nur gesetzlich vorsorgt, wird im Alter seinen Lebensstandard bei Weitem nicht halten können – so lautet die zentrale Erkenntnis aus dem „Vorsorgeatlas Deutschland 2021“ der Fondsgesellschaft Union Investment (Download hier). Verlassen sich die 36 Millionen gesetzlich Versicherten nämlich lediglich auf die staatliche Altersversorgung, erhalten sie nur 47 Prozent ihres letzten Bruttoeinkommens – im Schnitt und in der heutigen Kaufkraft sind das laut Studie aktuell 1.449 Euro pro Kopf.

Laut der Studie wären aber mindestens 60 Prozent nötig, um den während des Arbeitslebens gewohnten Lebensstandard halten zu können. Dies betrifft zurzeit knapp zwei Drittel der 20- bis 65-Jährigen, die nur über die erste Schicht vorsorgen.

Die gute Nachricht lautet jedoch: Mit Sparanstrengungen in der zweiten Schicht können die Menschen einen großen Teil ihrer Versorgungslücke schließen – und wer das tut, erreicht im Zusammenspiel mit der ersten Schicht laut Studie eine Ersatzquote von durchschnittlich 63 Prozent. Zu dieser Schicht gehören die Riester-Rente mit rund 16 Millionen Verträgen, die betriebliche Altersvorsorge (bAV) mit 9,4 Millionen Personen und die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (ZÖD), die von 5 Millionen Menschen genutzt wird.

Quote von 65 Prozent mit privater Vorsorge

„Durch die zusätzliche Vorsorge gelingt im Schnitt eine Sicherung des Lebensstandards im Alter“, sagt Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment. Selbst die junge Generation, die besonders von den Rentenreformen der Vergangenheit betroffen sei, erziele aus beiden Schichten im Durchschnitt eine Quote von 65 Prozent.

Ferner zeigt die Studie: Insgesamt 42 Prozent der Riester-Berechtigten haben mittlerweile einen Vertrag und können damit ihre gesetzliche Rente im Durchschnitt um 14 Prozent des letzten Bruttoeinkommens aufstocken. Dies sorgt im Schnitt für die Sicherung des Lebensstandards. Von der zusätzlichen Vorsorge profitieren Menschen aller Einkommensschichten. Insbesondere Niedrigverdiener werden vergleichsweise überproportional gefördert.

Interessant ist: Die Beteiligung von Frauen sowie der 20- bis 34-Jährigen an der Riester-Rente ist mit 57 Prozent beziehungsweise 43 Prozent relativ hoch. Frauen erzielen mit der staatlich geförderten Vorsorge eine Ersatzquote von 16 Prozent und liegen damit sogar deutlich über der Quote der Männer (9 Prozent). „Die Studie zeigt, dass das System der Riester-Rente sozialpolitisch an der richtigen Stelle ansetzt“, kommentiert Reinke.

bAV ist beliebt, aber Besserverdienenden vorbehalten

Die bAV hingegen ist in der zweiten Schicht der Vorsorgeweg mit der zweithäufigsten Beteiligung. Rund 19 Prozent der 20- bis 65-Jährigen haben hierüber Ansprüche und können damit 15 Prozent des letzten Bruttoeinkommens ersetzen. Wie die aktuelle Studie zeigt, ist die Verbreitung jedoch sehr unterschiedlich. Denn die bAV wird überwiegend von größeren Unternehmen mit entsprechend hohem Lohnniveau aktiv angeboten.

Das Ergebnis: Während bei den Menschen mit einem monatlichen Einkommen von mehr als 2.000 Euro rund 41 Prozent eine betriebliche Absicherung haben, sind es bei einem Einkommen von monatlich unter 1.100 Euro nur noch knapp 3 Prozent. Auch jüngere Personen (3 Prozent) und Frauen (15 Prozent) verfügen seltener über eine betriebliche Absicherung. „Mit diesen Zahlen wird noch einmal sehr deutlich, dass die bAV zwar eine gute Vorsorgeform ist. Jedoch erreicht sie nicht alle Bevölkerungsschichten“, so Reinke.

Obwohl die Menschen mit Ansprüchen aus Schicht 1 und Schicht 2 im Durchschnitt gut versorgt sind, gilt dies nicht für jeden. Denn laut Studie können gerade Gutverdiener aufgrund ihrer großen Lücke aus Schicht 1 trotz privater Vorsorge in der zweiten Schicht nur 56 Prozent ihres letzten Bruttoeinkommens ersetzen. „Sie müssen daher noch Geld in der dritten Schicht zurücklegen“, schreiben die Studienautoren. Unabhängig vom Einkommen gelte hierbei die Erkenntnis: „Wer über alle drei Schichten vorsorgt, ist mehr als ausreichend abgesichert und erreicht eine durchschnittliche Ersatzquote von insgesamt 80 Prozent des letzten Bruttoeinkommens.“

Eigenverantwortung und Rentenreform nötig

Ökonom Bernd Raffelhüschen vom Forschungszentrum Generationenverträge war als Leiter an der Studie beteiligt. Sein Fazit lautet: „Wer mit allen drei Schichten vorsorgt, ist im Durchschnitt im Alter gut versorgt. Dafür ist jedoch mehr denn je Eigenverantwortung gefordert.“ Es reiche „definitiv nicht, sich auf die erste Schicht und damit in erster Linie auf die gesetzliche Rente zu verlassen“.

Dennoch sieht er die kommende Regierung in der Verantwortung, schnell eine Rentenreform in die Wege zu leiten – vor allem, nachdem die 2019 eingesetzte Rentenkommission gescheitert sei. „Die Rahmenbedingungen der gesetzlichen Rente mit einer Untergrenze des Rentenniveaus bei 48 Prozent sowie einer Deckelung der Beiträge auf 20 Prozent können nicht erhalten bleiben“, warnt Raffelhüschen. „Bei einem Festhalten an der doppelten Haltelinie über das Jahr 2025 hinaus werden die Defizite der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich steigen.“

Die Stellschrauben zur Lösung des Problems wären entweder die Erhöhung des Bundeszuschusses oder des Renteneintrittsalters, so der Ökonom weiter. Sei dies politisch nicht gewollt, bliebe nur die Absenkung des Rentenniveaus oder die Anhebung der Beiträge. Dadurch würde zusätzliche Vorsorge für das Alter noch bedeutender, betont der Rentenexperte.

Hans Joachim Reinke sieht das ähnlich:

„Die nächste Regierung muss sich den Problemen des Rentensystems insgesamt stellen und Reformen vorantreiben“, sagt er. Allerdings dürfte die Durchsetzung der notwendigen Schritte noch einige Jahre in Anspruch nehmen. „Es ist entscheidend, möglichst schnell dort anzusetzen, wo mit wenig Aufwand großer Nutzen zu stiften ist. Dies ist insbesondere in der zweiten und dritten Schicht der Fall“, so Reinke. Denn dann hätte die Regierung mehr Zeit, um die großen Reformen der gesetzlichen Rente anzugehen. Die Vorschläge der Finanzindustrie lägen mit dem 5-Punkte-Plan auf dem Tisch.

Reinke ergänzt: „Die Nachjustierungen der Riester-Rente müssen unabhängig von den weiteren Plänen der nächsten Regierung allein deshalb schon angegangen werden, um die Altersvorsorge der bestehenden 16 Millionen Riester-Sparerinnen und -Sparer zu verbessern.“ Eine Einstellung dieses Vorsorgeweges sei keine Option. Das wäre aus seiner Sicht auch die falsche Botschaft an all diejenigen, die sich bereits beteiligen, und könnte deren Alterssicherung etwa durch Betragsfreistellungen gefährden, so der Union-Investment-Chef. Die einfachste, am schnellsten umzusetzende und effektivste Maßnahme sei hier die Flexibilisierung der Garantie.

In der dritten Schicht sollte die nächste Regierung indes Fondssparpläne zur Altersvorsorge mit privaten Rentenversicherungen steuerlich gleichstellen. Auch sollte der Sparerfreibetrag „nach rund 13 Jahren endlich an die Bedürfnisse der heutigen Zeit angepasst werden“, fordert der Reinke. Damit würde langfristiges Sparen attraktiver. „Die Pläne der Koalitionsparteien hierzu gehen in die richtige Richtung.“

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Juliana

Juliana Demski

Juliana Demski gehörte dem Pfeffi-Team seit 2016 an. Sie war Redakteurin und Social-Media-Managerin bei Pfefferminzia. Das Unternehmen hat sie im Januar 2024 verlassen.

kommentare
Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 2 Jahren

Eine Faktenaufzählung genügt!
50% aller Neurenten 20020 betrugen weniger als € 800,00! 50% aller deutschen Bürger teilen sich 2% des Vermögens. In München sind 50% Singles, oder GESCHIEDEN, also keine Durchschnittsbildung mit reichem Partner/i möglich, im angeblich sozialsten Staat der Welt. Bald werden wir erheblich mehr Rentner haben, die ca. 10 Jahre länger leben. Bei gleichzeitig auch noch ca. 40% weniger Einzahlern, über 30% mit Mindestlohn- und Minderbeiträgen, kann jedes Milchmädchen die Unfinanzierbarkeit der GRV berechnen. EU-Schnitt 70%, CRO 129%, NL 100%, D 48% bald 42% trotz einem Bundeszuschuss von 100 Milliarden EURO. Beamtenpensionsrückstellungsdefizit ca. 3 Billionen EURO, in besten Wirtschaftszeiten aufgebaut-SCHWARZE NULL??? DER STAAT KANN nicht helfen. Staatliche Zusatzversorgungen sind deswegen nur HARDCOREFATALISTEN zu empfehlen. Ich habe die Lösung für 9% bis 15% Rendite, die sogar WELTWEIT, Rentensysteme retten kann und sicher auch wird. Überalterte Gesellschaften genauso, wie auch Staaten mit gigantischem Bevölkerungszuwachs, die mit günstigen Beiträgen vorsorgen können. Wenn unsere Vorstände kein Interesse daran haben, wird diese Jahrhundertinnovation, wohl den Umweg über die USA oder China nehmen müssen.

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Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 2 Jahren

Eine Faktenaufzählung genügt!
50% aller Neurenten 20020 betrugen weniger als € 800,00! 50% aller deutschen Bürger teilen sich 2% des Vermögens. In München sind 50% Singles, oder GESCHIEDEN, also keine Durchschnittsbildung mit reichem Partner/i möglich, im angeblich sozialsten Staat der Welt. Bald werden wir erheblich mehr Rentner haben, die ca. 10 Jahre länger leben. Bei gleichzeitig auch noch ca. 40% weniger Einzahlern, über 30% mit Mindestlohn- und Minderbeiträgen, kann jedes Milchmädchen die Unfinanzierbarkeit der GRV berechnen. EU-Schnitt 70%, CRO 129%, NL 100%, D 48% bald 42% trotz einem Bundeszuschuss von 100 Milliarden EURO. Beamtenpensionsrückstellungsdefizit ca. 3 Billionen EURO, in besten Wirtschaftszeiten aufgebaut-SCHWARZE NULL??? DER STAAT KANN nicht helfen. Staatliche Zusatzversorgungen sind deswegen nur HARDCOREFATALISTEN zu empfehlen. Ich habe die Lösung für 9% bis 15% Rendite, die sogar WELTWEIT, Rentensysteme retten kann und sicher auch wird. Überalterte Gesellschaften genauso, wie auch Staaten mit gigantischem Bevölkerungszuwachs, die mit günstigen Beiträgen vorsorgen können. Wenn unsere Vorstände kein Interesse daran haben, wird diese Jahrhundertinnovation, wohl den Umweg über die USA oder China nehmen müssen.

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