Erdöl-Raffinerie von Total Energies in Leuna, Sachsen-Anhalt: Die Aktie gehörte Anfang 2022 zu den Lieblingen nachhaltiger Fondsmanager © picture alliance/dpa | Jan Woitas
  • Von Andreas Harms
  • 23.02.2023 um 15:09
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 01:40 Min

Energiewende voraus – also greifen die Manager nachhaltiger Aktienfonds bei den Erneuerbaren noch mal so richtig zu? Denkste! Ganz im Gegenteil: Hauptsächlich kauften sie Unternehmen, die Energie noch erzeugen, indem sie irgendwas verbrennen. Zumindest werfen ihnen das zwei Analystinnen vor, die sich die Portfolios genauer angesehen haben.

Als die Preise für Energieträger zu steigen begannen, sollten davon offenbar auch viele sogenannte nachhaltige Investmentfonds Gewinne abbekommen. Denn deren Manager haben massiv Geld in diese Branche gesteckt. Mehr Geld als in nachhaltige Energien.

Das haben die Analystinnen Alison Schultz und Magdalena Senn von Finanzwende Recherche beobachtet, als sie 2.434 aktiv gemanagte Fonds genauer betrachteten. Diese sind nach Artikel 8 (grün) beziehungsweise 9 (dunkelgrün) der europäischen Nachhaltigkeitsrichtlinie SFDR eingeordnet. Alle zusammen erreichten zu der Zeit ein Volumen von etwa 2 Billionen US-Dollar. In der Studie sind sie in vier Kategorien unterteilt:

  • ESG-Fonds
  • Fonds, die nicht-nachhaltige Aspekte bestrafen (Negative-Screening-Strategie)
  • Fonds, die Ausschlusskriterien anwenden und damit komplette Branchen außen vor lassen
  • Fonds, die sich durch Engagement für mehr Nachhaltigkeit in der investierten Firma einsetzen

Genaugenommen geht es um den Zeitraum von Dezember 2021 bis Ende März 2022, als beispielsweise der Preis für Erdgas an der Börse um etwa 50 Prozent anzog (in April und Mai folgten die richtig großen Sprünge).

Mit der Erkenntnis: Um mitzuverdienen, steckten „nachhaltige“ Fondsmanager in der Zeit insgesamt 2,6 Milliarden Dollar zusätzlich in Energie-Aktien und 1,7 Milliarden Dollar in Versorger. 940 Millionen Dollar davon flossen in fossile Energieträger. Parallel dazu investierten sie vergleichsweise überschaubare 138 Millionen Dollar in Aktien für Erneuerbare Energien. Im Gegenzug stießen sie Technologiefirmen und Finanzaktien ab – wodurch der CO2-Abdruck in den Portfolios insgesamt um 7,9 Prozent wuchs.

Artikel-9-Fonds sogar schmutziger als Artikel-8-Fonds

Ende März 2022 waren die eigentlich dunkelgrünen Fonds nach Artikel 9 SFDR mit 176 Tonnen CO2 je Million Dollar sogar deutlich schmutziger als die Artikel-8-Fonds mit 120 Tonnen CO2 je Million Dollar.

Und bei welchen Unternehmen griffen die Manager vor allem zu? Hier sind die Top 5 (Land und Kaufbeträge in Klammern):

  1. Eni (Italien, 226 Millionen Dollar)
  2. Reliance Industries (Indien, 209 Millionen Dollar)
  3. Total Energies (Frankreich, 203 Millionen Dollar)
  4. Cheniere Energy (USA, 172 Millionen Dollar)
  5. Shell (UK, 161 Millionen Dollar)

Im weiteren Verlauf des Jahres schoben die Manager übrigens noch weiteres Geld in fossile Energien nach, der Anteil der Erneuerbaren blieb hingegen gleich.

Wobei – darauf weisen die Autorinnen ausdrücklich hin – es sich um Durchschnitte handelt. Einige grüne Fonds verzichten nach wie vor komplett auf Energie durch Verbrennen – nur müsse man die erstmal finden.

„Es fehlen klare Regeln, was nachhaltige Fonds tun dürfen und was nicht“, bemängelt Co-Autorin Magdalena Senn. „Das Ergebnis ist ein massiver Etikettenschwindel im Bereich grüner Fonds – zum Nachteil von Kundinnen und Kunden, die auf Bezeichnungen wie ‚nachhaltig‘ oder ‚grün‘ vertrauen.“

Die gesamte Studie können Sie hier herunterladen.

autorAutor
Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort