Jennifer Brockerhoff ist Inhaberin der Brockerhoff Finanzberatung mit Sitz in Düsseldorf. © Brockerhoff Finanzberatung
  • Von Jens Lehmann
  • 12.04.2021 um 12:00
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Umwelt- und Klimaschutz werden auch für die Finanz- und Versicherungsbranche immer wichtiger. Viele Kunden wollen nicht nur renditestarke, sondern auch saubere, nachhaltige Produkte. Die Düsseldorfer Finanzberaterin Jennifer Brockerhoff (42) ist Expertin für grüne Geldanlagen. Im Interview spricht die Jungmaklerin des Jahres 2012 über nachhaltig denkende Kunden, „Greenwashing“ und ein Unglück, das ihr Leben veränderte.

Pfefferminzia: Nachhaltigkeit wird häufig als Synonym für Umweltschutz verwendet. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie? 

Jennifer Brockerhoff: Der Umweltschutz ist auch für mich zentral. Doch auch soziale Aspekte spielen eine wichtige Rolle. Denn Umweltschutz funktioniert nur, wenn wir die Nöte der Menschen berücksichtigen, die weniger privilegiert sind. Wer in einem ärmeren Land kaum das Nötigste zum Leben hat, lässt sich nicht für den Umweltschutz gewinnen. Die sozialen Aspekte hängen wiederum eng mit dem Verhalten von Unternehmen zusammen: Zahlen sie faire Löhne? Sorgen sie für bestmöglichen Arbeitsschutz? All das zusammen ist für mich Nachhaltigkeit.  

Nur ist echte Nachhaltigkeit nicht immer so leicht von „Greenwashing“ zu unterscheiden. Anhand welcher Kriterien prüfen Sie die Nachhaltigkeit einer Geldanlage? 

In der Vergangenheit war es manchmal tatsächlich nicht so einfach, Nachhaltigkeit von „Greenwashing“ zu unterscheiden. Mit der Offenlegungsverordnung der Europäischen Union ist das nun anders. Darin hat die EU klar formuliert, was nachhaltig ist. Das bringt uns einen großen Schritt voran. Für mich als Beraterin ist die Festlegung der EU sehr hilfreich, denn ich kann jetzt sofort sagen, ob ein Fonds oder eine Lebensversicherung grün und nachhaltig ist oder nicht.  

Bringt die Verordnung einen Schub für nachhaltige Finanzprodukte? 

Sagen wir so: Die Regelung bringt wesentlich mehr Markttransparenz für Makler, Berater und Privatpersonen im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Institutionelle Anleger wie Lebensversicherer setzen ohnehin schon länger auf nachhaltige Produkte. Für sie ist Nachhaltigkeit ein zentrales Kriterium bei der Produktentwicklung. Entsprechend hoch ist der Weiterbildungsbedarf bei Maklern und Beratern. Mit der wachsenden Bedeutung des Themas sind auch die Anforderungen an sie enorm gestiegen.   

Sind es eher die Jüngeren, die sich für nachhaltige Produkte interessieren? Oder ist das Thema Nachhaltigkeit schon in der Generation 40plus angekommen?  

Es gibt inzwischen viele Ältere, die Nachhaltigkeit sehr wichtig finden. Aus meiner Praxis weiß ich, dass Nachhaltigkeit auch für Anleger über 60 Jahren ein großes Thema ist. Das Interesse wächst, obwohl noch immer längst widerlegte Vorurteile über nachhaltige Finanzprodukte kursieren. 

Welche Vorurteile halten sich am hartnäckigsten? 

Eindeutig das Märchen, nachhaltige Geldanlagen oder Versicherungsprodukte würden weniger Rendite bringen. Es steckt in vielen Köpfen und ist doch völlig falsch. Diverse hochkarätige nationale und internationale Studien belegen seit Jahren das Gegenteil. Nachhaltigkeit und Rendite schließen sich nicht aus.    

Das hört sich an, als sei das Thema Nachhaltigkeit keine Modeerscheinung. Werden nachhaltige Finanzprodukte zum Standard? 

Davon gehe ich aus. Nachhaltigkeit ist weder eine Modeerscheinung noch eine Marketing-Idee. Die Nachhaltigkeitsdiskussion geht zurück auf die warnenden Umweltprognosen des Club of Rome 1972. Da ging es um die Grenzen des Wachstums und den Raubbau an der Natur. Es folgten der Brundtland-Bericht in den 80ern, eine ganze Reihe von UN-Klimakonferenzen von Rio über Kyoto bis Paris und vieles mehr. Die Diskussion läuft also schon sehr lange, nachhaltiges Wirtschaften sichert unsere Existenz. Diese Botschaft ist auch in der Finanzwelt angekommen. Nachhaltigkeit ist zum Verkaufsargument und damit zum Wettbewerbsvorteil geworden. 

Warum liegt Ihr persönlicher Fokus auf Nachhaltigkeit? Gab es ein Ereignis, das dazu geführt hat? 

Bis zu meinem 14. Lebensjahr habe ich in Kanada gelebt. Da spielte Umweltschutz schon in der Schule eine große Rolle. 1989 havarierte dann die Exxon Valdez vor Alaska. Im Fernsehen habe ich das Tankerunglück verfolgt und Tausende ölverklebter Seevögel sterben sehen. Das war mein Schlüsselerlebnis. 1992, bei der UN-Klimakonferenz in Rio, hat mich dann die Rede der kanadischen Umweltaktivistin Severn Suzuki endgültig wachgerüttelt. Sie war zwölf, ich war in ihrem Alter. Sie war meine Greta. All das hat mich nachhaltig geprägt, um im Bild zu bleiben. 

Wie nachhaltig leben Sie privat, und wie nachhaltig ist Ihr Büro organisiert? 

Ich versuche, möglichst viel richtig zu machen, bin aber nicht perfekt. Innerhalb Deutschlands fliege ich nie zu Terminen, sondern nutze nur die Bahn. Meine Kunden bekommen bei mir nur Getränke aus Mehrwegflaschen oder fair gehandelten Bio-Kaffee. Meine Büromöbel sind aus zweiter Hand, oder ich verkaufe sie weiter, wenn ich sie nicht mehr brauche. Ich habe ein Problem damit, noch funktionierende Dinge wegzuwerfen. Büromaterial kaufe ich bei einem Dienstleister, der ausschließlich Recycling-Ware anbietet. Und mein Handy ist fünf Jahre alt. Ich brauche nicht jedes Jahr ein neues Modell. 10 Prozent meiner Nettoeinnahmen aus Finanz-Coachings spende ich an Umweltschutzorganisationen. Ich versuche, Nachhaltigkeit zu leben. Es gelingt mir nicht immer, aber immer besser.  

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Jens Lehmann

Jens Lehmann ist diplomierter Publizist und Betriebswirt und arbeitet als freier Journalist und Autor in Hamburg. Er ist thematisch auf Wirtschafts-, Finanz- und Mobilitätsthemen spezialisiert. Seine Beiträge erscheinen in Publikationen großer Zeitungsverlage, Unternehmensveröffentlichungen sowie bei Pfefferminzia.

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