Norbert Porazik, Geschäftsführer des größten deutschen Maklerpools. © Fonds Finanz
  • Von Redaktion
  • 24.09.2015 um 17:47
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Norbert Porazik, Geschäftsführer des größten deutschen Maklerpools, hat die Nase voll von Berichten, in denen das hochregulierte Großbritannien als Blaupause für Beratungsqualität und künftige Entwicklungen in Deutschland dient.

Pfefferminzia: Sie haben sich über ein Interview von uns mit Herrn Regazzoni von der Standard Life geärgert?

Nobert Porazik: Ich lese immer wieder über das Provisionsverbot in Großbritannien als Muster für eine mögliche Entwicklung in Deutschland. Was für eine sinnlose Verunsicherung deutscher Vermittler! In England gibt es kein Provisionsverbot nach deutschem Verständnis.

Es gilt dort seit Jahren für die Vermittlung von Altersvorsorge-Produkten und Kapitalanlagen.

Ja, aber eben nicht für den kompletten Versicherungsbereich, was gern unterschlagen wird. In England gelten weiterhin die gleichen Provisionen für sämtliche Sachversicherungen, alle Gewerbeversicherungen, Krankenversicherungen und auch für biometrische Produkte wie die Berufsunfähigkeitsversicherung.

Wie gut kennen Sie den britischen Markt? Gibt es Verbindungen von Fonds Finanz nach Großbritannien?

Ich habe mich vor einigen Jahren gemeinsam mit Tim Bröning, der bei der Fonds Finanz die Bereiche Unternehmensentwicklung und Finanzen verantwortet, in London bei Sesame – einem der größten Maklernetzwerke in Großbritannien – ausführlich über den Stand der Dinge informiert. Übrigens wurden wir dort durch die Fehlinformationen der deutschen Medien sehr belächelt. Seitdem besteht zu einigen Vermittlern in Großbritannien loser Kontakt. Dazu ist im Übrigen anzumerken, dass wir im Rahmen unseres Risikomanagements immer die Augen offenhalten und schauen, was überall in Europa rund um dieses Thema passiert.

Wie ist Ihr Blick auf die dortigen Vergütungsmodelle?

In England werden in der Altersvorsorge bei Lebensversicherungen immer mehr Kostenausgleichsmodelle abgeschlossen – wie in Deutschland etwa bei Prisma Life. Am Ende des Tages bedeutet das nur eine Ausweisung der Kosten. Für die bestehenden Altersvorsorgeprodukte gibt es auch weiterhin die vorher vereinbarte laufende Vergütung.

Bei Kapitalanlagen wie zum Beispiel Investmentfonds gibt es keine großen Unterschiede, denn in Deutschland vermitteln die meisten ohne Ausgabeaufschlag und dafür mit einer Servicefee. Der einzige Unterschied, der hier wirklich besteht, ist, dass es bei Fonds eben keine Bestandsprovision gibt.

Die Standard Life liegt also Ihrer Ansicht nach falsch, wenn sie auf die positiven Effekte der dortigen Regulierung hinweist – wesentlich mehr Transparenz, verbesserte Beratungsqualität und zufriedenere Makler mit einem besseren Image?

Ich weiß nicht, warum Herr Regazzoni das so propagiert. Nach meiner Wahrnehmung äußern sich Politiker in England immer wieder offen darüber, dass das Provisionsverbot für Altersvorsorge-Produkte ein riesiger Fehler sei, den sie am liebsten rückgängig machen würden. Übrigens haben den Ruf der Branche in England nicht allein die Vermittler kaputt gemacht, sondern die Versicherer haben meiner Meinung nach ihren Teil dazu beigetragen. Die Verhältnisse in England sind deshalb kein Vorbild für den deutschen Markt. Ich weiß allerdings, dass Standard Life sich sehr gut auf die britischen Marktbedingungen eingestellt hat und dort im Altersvorsorgebereich mit ihren Wrappern – Versicherungsmänteln fast ohne Kosten in ganz bestimmten Kundensegmenten – wirklich sehr erfolgreich ist. Das verdient unsere Anerkennung.

Erwartet Fonds Finanz keine Einschränkungen des Provisionssystems über die kommende Regulierung – Stichwort Mifid II – in Deutschland?

Nein damit rechnen wir eher nicht, weil die Einschränkungen des Provisionssystems eher unsinnig sind und die Politiker das erkannt haben. Auch die Verbände sehen im Moment im Hinblick auf das Provisionsverbot keine Gefahr. Wir haben eine eigene Abteilung, die sich mit eben diesen strategischen Themen auseinandersetzt, aktiv mit den Verbänden zusammenarbeitet und den Markt im Gesamten im Blick behält. Deshalb wissen wir, dass es letztlich mehrere schlechte Beispiele für Länder mit Verbot gibt – neben England sind auch die Niederlande nicht unbedingt ein Musterbeispiel. Und im Grunde ist es doch so: Versicherungen müssen verkauft werden. Kunden würden wichtige Policen wie zum Beispiel Berufsunfähigkeits- oder Pflegeversicherungen sonst vermutlich gar nicht abschließen.

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