KVProfi Thorulf Müller ©
  • Von Redaktion
  • 09.07.2014 um 12:17
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KVProfi Thorulf Müller kommentiert heute Aussagen des DIHK zur Tarifwechselberatung. Laut DIHK sind hier die Grundsätze des Nettotarifs anwendbar. Laut Müller sollten Makler aber tunlichst die Finger von gesonderten Entgelten lassen.

Von Thorulf Müller

Irrungen, Wirrungen ist ein Roman von Theodor Fontane, der im Jahr 1888 erschien. Es geht um die Liebe zwischen dem Baron und Offizier Botho von Rienäcker und der Schneidermamsell Lene, die nicht standesgemäß ist. Beide können und wollen ihre Standesgrenzen nicht überwinden und heiraten schließlich einen anderen Partner, mit dem sie ein mäßig glückliches Leben bestreiten, denn: „Die Sitte gilt und muss gelten, aber daß sie’s muß, ist mitunter hart.“

Ausgangssituation

Das Redaktionsbüro Matthias Beenken hat am 07. Juli 2014 im Versicherungsmagazin über ein Statement des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) informiert.

Ich bin schlichtweg erstaunt darüber, was der DIHK da von sich gibt. Zitat:

Nun hat sich der Dachverband DIHK in einem internen Rundschreiben an die IHKn festgelegt. „Es gehört zum Berufsbild des Versicherungsmaklers, auch bestehende Verträge darauf zu überprüfen, ob diese dem Bedürfnis und Interesse des Versicherungsnehmers entsprechen”, heißt es dort. Das sei unabhängig davon, ob der Makler ursprünglicher Vermittler war oder erst später vom Kunden mit der Wahrnehmung seiner Interessen bezüglich der bestehenden Krankenversicherung beauftragt wird. Tarifwechsel sei auch „Versicherungsvermittlung”, heißt es auch unter Berufung auf Rechtskommentare und Urteile.

 

Und ein Makler muss die Tarifwechselberatung nicht für Gotteslohn durchführen: „Da das Versicherungsunternehmen für den Tarifwechsel keine Vergütung ausschüttet, sind die Grundsätze des Nettotarifs auf diese Fallkonstellation anwendbar.” Der DIHK betont aber, dass die Vergütung erfolgsabhängig sein muss. Und er warnt davor, dass möglicherweise „eine besondere Aufklärungspflicht des Versicherungsmaklers besteht”, weil der Grundsatz „die Provision teilt das Schicksal der Prämie” durchbrochen wird. Das sei aber eine zivilrechtliche und nicht eine gewerberechtliche Frage.

 

Die Tarifwechselberatung stellt nach Ansicht des DIHK im Kern keine Rechtsberatung dar und kollidiert deshalb nicht mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Beim Tarifwechsel steht der Wunsch des Kunden nach Beitragsersparnis und nicht die rechtliche Gestaltung des Vertrags im Vordergrund, die ist „nur eine Folge” und nicht „Kern der Beratung”. Ich unterstelle in meiner weiteren Besprechung, dass Herr Professor Beenken die Unterlagen korrekt zitiert hat, da der DIHK noch nichts veröffentlich hat.

Alleine schon im Beginn der Stellungnahme kann man deutlich erkennen, wer hier Einfluss genommen hat: In diese Bresche springen seit Jahren Maklerunternehmen, die beispielsweise im Internet Tarifwechselberatung vorzugsweise gegen eine erfolgsabhängige Beteiligung an der Beitragsersparnis des Kunden anbieten. Da muss ich nicht lange nachdenken, wer da gemeint sein könnte.

Die rechtlichen Grundlagen

Es gilt die Richtlinie 2002/92/EGdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

3. „Versicherungsvermittlung” das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfuellung, insbesondere im Schadensfall.

 

Diese Tätigkeiten gelten nicht als Versicherungsvermittlung, wenn sie von einem Versicherungsunternehmen oder einem Angestellten eines Versicherungsunternehmens, der unter der Verantwortung des Versicherungsunternehmens tätig wird, ausgeübt werden.

 

Die beiläufige Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit, sofern diese Tätigkeit nicht zum Ziel hat, den Kunden beim Abschluss oder der Handhabung eines Versicherungsvertrags zu unterstützen, oder die berufsmäßige Verwaltung der Schadensfälle eines Versicherungsunternehmens oder die Schadensregulierung und Sachverständigenarbeit im Zusammenhang mit Schadensfällen gelten ebenfalls nicht als Versicherungsvermittlung;Die Richtlinie definiert Versicherungsvermittlung eindeutig: Abschließen, Verwaltung und Erfüllung.

Artikel 12

Vom Versicherungsvermittler zu erteilende Auskünfte

 

(1) Vor Abschluss jedes ersten Versicherungsvertrags und nötigenfalls bei Änderung oder Erneuerung des Vertrags teilt der Versicherungsvermittler dem Kunden zumindest Folgendes mit:

 

a) seinen Namen und seine Anschrift; b) in welches Register er eingetragen wurde und auf welche Weise sich die Eintragung überprüfen lässt; c) ob er eine direkte oder indirekte Beteiligung von über 10 % an den Stimmrechten oder am Kapital eines bestimmten Versicherungsunternehmens besitzt; d) ob ein bestimmtes Versicherungsunternehmen oder das Mutterunternehmen eines bestimmten Versicherungsunternehmens eine direkte oder indirekte Beteiligung von über 10 % an den Stimmrechten oder am Kapital des Versicherungsvermittlers besitzt; e) Angaben über die in Artikel 10 genannten Verfahren, die es den Kunden und anderen Betroffenen ermöglichen, Beschwerden über Versicherungsvermittler einzureichen, sowie gegebenenfalls über die in Artikel 11 genannten außergerichtlichen Beschwerde- und Abhilfeverfahren.

 

Außerdem teilt der Versicherungsvermittler dem Kunden in Bezug auf den angebotenen Vertrag mit,

 

i) ob er seinen Rat gemäß der in Absatz 2 vorgesehenen Verpflichtung auf eine ausgewogene Untersuchung stützt, oder ii) ob er vertraglich verpflichtet ist, Versicherungsvermittlungsgeschäfte ausschließlich mit einem oder mehreren Versicherungsunternehmen zu tätigen. In diesem Fall teilt er dem Kunden auf Antrag auch die Namen dieser Versicherungsunternehmen mit, oder iii) ob er nicht vertraglich verpflichtet ist, Versicherungsvermittlungsgeschäfte ausschließlich mit einem oder mehreren Versicherungsunternehmen zu tätigen, und seinen Rat nicht gemäß der in Absatz 2 vorgesehenen Verpflichtung auf eine ausgewogene Untersuchung stützt. In diesem Fall teilt er dem Kunden auf Antrag auch die Namen derjenigen Versicherungsunternehmen mit, mit denen er Versicherungsgeschäfte tätigen darf und auch tätigt.

 

In den Fällen, in denen vorgesehen ist, dass die betreffende Information nur auf Antrag des Kunden zu erteilen ist, ist Letzterer von dem Recht, diese Information zu beantragen, in Kenntnis zu setzen. Bei den Informationspflichten wird nun auch eindeutig festgelegt, dass die Änderung eines Vertrages auch zu den Aufgaben eines Versicherungsvermittlers gehört! Ergibt auch Sinn, wenn Verwaltung und Erfüllung zu den Aufgaben gehört.

Nun schauen wir in Paragrafen 34 d GewO:

(1) Wer gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will (Versicherungsvermittler), bedarf der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer. Die Erlaubnis kann inhaltlich beschränkt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit oder der Versicherungsnehmer erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen sind auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig. In der Erlaubnis ist anzugeben, ob sie einem Versicherungsmakler oder einem Versicherungsvertreter erteilt wird. Die einem Versicherungsmakler erteilte Erlaubnis beinhaltet die Befugnis, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten; diese Befugnis zur Beratung erstreckt sich auch auf Beschäftigte von Unternehmen in den Fällen, in denen der Versicherungsmakler das Unternehmen berät. Bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach den Sätzen 1 und 2 unterliegt die Industrie- und Handelskammer der Aufsicht der obersten Landesbehörde.

Vermittlung von Versicherungen ist die Aufgabe. Und für die Vermittlung wird er auch bezahlt. Entweder durch eine Provision vom Versicherer, durch eine Courtage, die der Kunde über den Beitrag bezahlt und die der Versicherer an den Versicherungsmakler auskehrt oder eine Courtage, die der Versicherungsmakler direkt vom Kunden für die Vermittlung erhält.

Wir lesen ganz entspannt:

Die einem Versicherungsmakler erteilte Erlaubnis beinhaltet die Befugnis, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten;

Hier taucht der Begriff Änderung auf. Für die Änderung eines Vertrages darf ein Vermittler keine gesonderten Entgelte fordern, wenn der Kunde ein Verbraucher ist.

Irrungen

Im Artikel des Versicherungsmagazins heißt es weiter:

„Es gehört zum Berufsbild des Versicherungsmaklers, auch bestehende Verträge darauf zu überprüfen, ob diese dem Bedürfnis und Interesse des Versicherungsnehmers entsprechen”, heißt es dort. Das sei unabhängig davon, ob der Makler ursprünglicher Vermittler war oder erst später vom Kunden mit der Wahrnehmung seiner Interessen bezüglich der bestehenden Krankenversicherung beauftragt wird. Tarifwechsel sei auch „Versicherungsvermittlung”, heißt es auch unter Berufung auf Rechtskommentare und Urteile.

Einverstanden! Natürlich gehört das überprüfen zur Vermittlung. Ohne Bedarfsermittlung keine bedarfsgerechte Vermittlung! Zur Bedarfsermittlung gehört auch die Aufnahme und Überprüfung vorhandener Verträge. Und wir erinnern uns: Abschließen, Verwaltung und Erfüllung, aber keine Prüfung, Änderung oder Vereinbarung (Vermittlung) gegen gesondertes Entgelt, außer bei Kunden die NICHT Verbraucher sind!

Anmerkung des Autors: Beachten Sie bitte, dass wir bewusst das Wort Honorar vermeiden. Wir sprechen von Courtage oder von Entgelt!

Wirrungen

Und ein Makler muss die Tarifwechselberatung nicht für Gotteslohn durchführen: „Da das Versicherungsunternehmen für den Tarifwechsel keine Vergütung ausschüttet, sind die Grundsätze des Nettotarifs auf diese Fallkonstellation anwendbar.”

Nettotarif – da stellen wir uns mal ganz dumm und fragen uns was das ist oder sein könnte!

Wir finden bei Wikipedia folgenden Hinweis:

Eine einheitliche, rechtsverbindliche Definition von Nettopolicen existiert in Deutschland bislang nicht. Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) – heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) – definiert Nettotarife als „abschlusskostenfreie Tarife, in die namentlich keine Provision eingerechnet wird.“ Diese Definition greift jedoch nach Ansicht der Universität Köln zu kurz. Demnach ist „ein Nettotarif ein Tarif, der weder Provisions- oder Courtagekosten, noch mit diesen im Zusammenhang stehende Kosten enthält.“

Und der zweite Hinweis der Universität Köln bezieht sich auf ein Buch von Matthias Beenken: Matthias Beenken, Bernhard Brühl, Petra Pohlmann, Heinrich R. Schradin, Nina Schroeder, Sabine Wende: Nettotarifangebot deutscher Versicherungsunternehmen im Privatkundengeschäft, Institut für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln, 2011.

Also: Eine Nettopolice ist eine Police, die ohne Abschlusskosten kalkuliert ist!

Nun schauen wir einmal in den Kalkulationsverordnung und finden in Paragraf 8:

§ 8 Grundsätze für die Bemessung der sonstigen Zuschläge

(1) Die sonstigen Zuschläge umfassen

1. die unmittelbaren Abschlußkosten, 2. die mittelbaren Abschlußkosten, In der Beitragskalkulation des laufenden Beitrages sind die mittelbaren und unmittelbaren Abschlusskosten enthalten.

Bei einem PKV-Tarif handelt es sich also mitnichten um eine Nettopolice. Der Kunde zahlt während der gesamten Vertragslaufzeit mit seinem Beitrag einen kalkulierten Anteil an den kalkulierten Abschlusskosten. Sind die Kosten höher, als kalkuliert, so reduziert sich das versicherungsgeschäftliche Ergebnis, sind die Kosten niedriger, erhöht sich das versicherungsgeschäftliche Ergebnis.

Dem Autor sind nur zwei Versicherer bekannt, die Nettopolicen im Bestand führen. Nur einer bietet diese Produkte aktiv an.

Rechtsirrtum

Definition: Rechtsirrtum bezeichnet einen Irrtum über eine bestehende Rechtslage (etwa über ein rechtliches Verbot). Im Strafrecht wird der Rechtsirrtum Verbotsirrtum genannt.

Sorry, aber eine Police wird nicht zur Nettopolice nur weil der Vermittler vom Versicherer keine Courtage erhalten hat! Das würde bedeuten, dass jeder Vermittler Debeka, LVM oder Huk-Coburg Produkte gegen gesondertes Entgelt vermitteln dürfte.

Demnächst werden die Änderung der Familien-Privat-Haftpflicht auf Single- oder Seniorenpolice dann auch gegen gesondertes Entgelt durchgeführt?

Und ein Tarifwechsel ist nicht die Vermittlung einer neuen Versicherung, sondern die Umwandlung des bestehenden Vertrages!

Der DIHK mag ja hehre Ziele verfolgen. Zitat:

Hier wird offenbar, dass die einmalige Abschlussprovision nicht immer die Beratung der gesamten Vertragslaufzeit abdeckt, auch wenn dies gerne behauptet wird.

Dann sollten die Vermittler diese diskontierten Provisionen/Courtagen nicht annehmen! Nehmen sie die an, dann ist damit die Betreuung, also neben der Vermittlung die Verwaltung und Erfüllung des Vertrages abgegolten. Gegebenenfalls muss man die Abschlusskosten, die man bei aktuellen neuen Abschlüssen erhält, eben auch so betrachten, dass damit die Bestandsarbeit bezahlt wird, denn der Bestandskunde finanziert ja die Provisionen/Courtagen.

Fazit

Hier scheint der DIHK standesgemäß zu heiraten und seine wirkliche Liebe, die Vielzahl von Versicherungsvermittlern und -beratern zu verschmähen. Einigen großen Playern, die sich meiner Meinung nun wirklich nicht um die Interessen der Kunden kümmern, wird der Hof gemacht. Da wird Verbraucherschutz mit Füßen getreten.

Und was tut Professor Matthias Beenken, der es ja eigentlich besser wissen müsste? Der berichtet ohne die Begründung kritisch unter die Lupe zu nehmen. Aufgrund der Arbeit, an der er beteiligt war, müsste er es ja fachlich können und besser wissen.

Was noch zu sagen ist: Natürlich dürfen Versicherungsmakler es machen! Versicherungsmakler sollten tunlichst die Finger von gesonderten Entgelten dafür lassen.

Tarifwechsel gehört aber nur in die Hände von Profis, die die Besonderheiten dieses Geschäfts kennen, und man macht das nicht gegen erfolgsabhängige Vergütung. Die verführt nur zur möglichst hohen Absicherung des Beitrages. Wie lange hat der Kunde denn etwas von dem niedrigen Beitrag? Wann kommen die Anpassungen in dem Tarif, wenn die Kunden in diese „Tarif“ wechseln?

In Anbetracht der neuen Paragrafen in der Gewerbeordnung (§ 34 h ff) sollte der Versicherungsmakler das Wort Honorar auch nie verwenden. Richtig ist der Begriff Courtage, die ich vom Kunden oder über den Versicherer bezahlt bekommen kann.

Und Courtagen als Entgelte von Verbrauchern bitte nur dann, wenn eine Nettopolice vermittelt wird. Da hat der BGH klare Urteile gefällt (vergleiche einen Artikel auf dasinvestment.com). Nettopolice definiert sich für mich so, wie die Bafin es vorgibt: abschlusskostenfrei!

Alternativ kann man über gesonderte Entgelte für Service und sonstige Dienstleistungen sprechen. Oder über den Versicherungs-Schutzbrief!

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