Vertriebsexperte Tobias Haff. © privat
  • Von Tobias Haff
  • 06.09.2021 um 16:33
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Bei der Software-Entwicklung in der Versicherungsbranche beobachtet Vertriebsexperte Tobias Haff immer mehr „grauenhafte Trends“. Zum Beispiel der, dass dem Anwender immer mehr IT-Wissen abverlangt wird. Die Details lesen Sie in Haffs neuer Kolumne.

Letztens kam in einer Diskussion die Frage auf, ob man als Makler auch IT-Fachmann sein müsse. Zuerst ein spontanes „Ja“ auf den Lippen, begann dann doch ein wildes Hin und Her in meinen Gehirnwindungen. Denn inzwischen verschwimmt die notwendige Abgrenzung zwischen Anwender und Anbieter immer mehr und führt zu einem sehr unglücklichen Rollenverständnis.

Dabei war es gerade die Versicherungsbranche, die nicht nur die IT-Entwicklung bereits in Zeiten vorangetrieben hat, in denen viele die Abkürzung „EDV“ noch gar nicht kannten. Verständlich, mussten damals ja bereits viele Daten verarbeitet und für lange Zeit verfügbar gehalten werden. Und wer einmal mit Bleistift, Taschenrechner und Tarifbuch – ich durfte das noch lernen – ein Lebensversicherungsangebot selbst ausgerechnet hat, erkennt den Segen von Tarifierungssoftware, wie mies sie auch sein mag.

Schon früh musste sich der Vertrieb daher mit Neuerungen wie Computer und Laptop auseinandersetzen. Eine Offenheit für Neuerungen und die Bereitschaft, sich in IT-Themen einzuarbeiten, waren damit immer schon notwendig. In letzter Zeit kippt das aber. Statt des Beraters ist immer mehr der IT-Fachmann gesucht, der sich nebenbei noch der Beratungsthemen annehmen kann. Dass das nicht funktionieren kann, liegt allein schon daran, dass die Kundenberatung inzwischen so hohen Anforderungen unterliegt, dass sie den Arbeitsalltag ausfüllt.

Wäre das nicht schon Herausforderung genug, haben sich in den vergangenen Jahren mehrere grauenhafte Trends ihren Weg gebahnt. Einer davon ist, dass immer mehr Arbeit auf den Anwender verlagert wird. Das ist nichts grundsätzlich Neues, entspricht es doch vielen Geschäftsmodellen der sogenannten Plattformökonomie. Elektronische Antragserfassung und Echtzeit-Risikoprüfung, Dunkelverarbeitung, Policen aus Bits und Bytes statt Papier – grundsätzlich nicht verkehrt, wenn es dafür eine durchgängige Plattform gibt, die auch so reibungslos funktioniert wie die Vorbilder aus der bunten Internet-Welt.

Offenheit ja, Experte nein

Nur, die eine Plattform gibt es nicht. Dafür einen Flickenteppich an elektronischen Lösungen. Trotz gefühlt einem Jahrhundert „Biproisierung“ macht jeder noch ziemlich sein eigenes Ding. Damit wird dem Vermittler als Anwender durch die Hintertür immer mehr IT-Fachwissen abgefordert. Zusätzlich werden von allen Seiten neue Hypes ins Gespräch gebracht: von kundenraubenden Sprachassistenten bis zur Verträge-analysierenden KI. Aus Sicht des Praktikers, dem es nicht gelingt, die gerade benötigte Police aus dem Versicherer-Extranet herunterzuladen, gänzlich sinnfreie Themen.

Um damit auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Nein, Sie müssen kein IT-Fachmann sein. Offenheit für die Anwendung und Bereitschaft, sich mit Technik auseinanderzusetzen, sind notwendig – genügen aber auch. Die Aufgabe der IT-Fachleute ist es, Software und Arbeitsprozesse zu entwickeln, die mit etwas Lernen erfolgreich in der täglichen Arbeit genutzt werden können.

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Tobias Haff

Tobias Haff ist gelernter Versicherungskaufmann. Er ist spezialisiert auf die Digitalisierung und Automatisierung von Vertriebs-, CRM- und Service-Prozessen.

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