Schadenermittler Timo Heitmann ist seit 2013 bei dem erfolg­reichen RTL-TV-Format „Die Versicherungs­detektive“ dabei. © Gothaer
  • Von Karen Schmidt
  • 21.01.2021 um 10:26
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Die RTL-Sendung „Die Versicherungsdetektive“ lockt Millionen Menschen vor den Fernseher. Einer dieser Detektive ist Timo Heitmann von der Gothaer. Mit uns sprach er über verdächtiges Verhalten, skurrile Fälle und den Mehrwert einer solchen Sendung für die Branche.

Pfefferminzia: Sie sind Leiter des Schadenaußendiensts Norddeutschland bei der Gothaer. Sie und Ihr Team bearbeiten jeden Tag Schadenfälle. Wie viele davon sind tendenziell verdächtig?

Timo Heitmann: Wenn wir über den Schadenregulierer an sich sprechen, dann sieht der Job natürlich etwas anders aus, als man ihn aus dem RTL-Fernsehformat „Die Versicherungsdetektive“ kennt. Der Schadenregulierer nimmt sich Fälle vor, die vom Schreibtisch aus nicht zu bearbeiten sind. Weil man sie aus der Ferne nicht richtig bewerten kann oder weil der Kunde jemanden braucht, der ihn durch den Schaden begleitet, sich zum Beispiel um die Steuerung der Handwerker kümmert und das individuelle Problem des Kunden löst. Kunden haben unterschiedliche Probleme, da kann man einen Schaden nicht nach starren Parametern über einen Kamm scheren. Der eine braucht mehr technische Begleitung, der andere mehr emotionale Unterstützung. Die Schadenvolumina sind schwankend, je nachdem, ob es etwa gerade zu einem Sturmereignis kam. Ein Regulierer, der sich im Mittel zehn Schäden pro Woche widmet, ist gut beschäftigt – wenn es darum geht, sich um den Kunden zu kümmern, bis das Problem gelöst ist. Wenn Sie jetzt fragen, wie viele davon verdächtig sind: Der Branchenverband GDV hat in Untersuchungen herausgefunden, dass etwa jeder zehnte Versicherungsvorgang dubios ist.

Was deutet Ihrer Erfahrung nach auf verdächtiges Verhalten hin?

Jeder Versicherungsfall ist ein Ereignis, das sich in einen gewissen Entstehungskontext einbettet. Was meine ich damit? Ich mache das jetzt mal ganz plakativ. Ich lasse mein Handy vom Tisch fallen (Handy fällt). So, jetzt ist es kaputt.

Oha!

Das stelle ich Ihnen dann nachher in Rechnung (lacht). Also, das Handy ist kaputt und diesen Schaden melde ich jetzt. Da fängt es schon an: Welcher Versicherung melde ich den Schaden? Wenn ich keine Elektronikversicherung oder Handyversicherung abgeschlossen habe, bleibt nur die private Haftpflicht. Denn bei einer Hausratversicherung müsste es zu einer der versicherten Gefahren kommen: Es müsste also brennen, stürmen oder Leitungswasser austreten. Das ist viel zu aufwendig, und es besteht die Gefahr, dass mir noch mehr Dinge kaputt gehen. Also bleibt es bei einem Haftpflichtschaden. Wann zahlt die Haftpflicht? Wenn ich jemandem einen Schaden zufüge. Ich brauche nun also jemanden, dem ich in die Schuhe schieben kann, dass er mein Handy zerstört hat. Dafür müssen normalerweise Bekannte oder Familienmitglieder herhalten. In der Beschreibung des Schadenfalls heißt es dann: „Ich habe das Handy meines Sohnes in der Hand gehalten, um ein Foto zu machen und dabei ist es mir heruntergefallen.“ Wenn man als Schadenregulierer dann nachfragt, werden die Angaben oft schnell dünn. „Wann haben Sie sich denn verabredet? Wie ging es nach dem Vorfall weiter – haben Sie sich gestritten? Was wollten Sie überhaupt fotografieren?“ Wenn die Aussagen dann sehr kurz werden, wenn die Leute untereinander Blicke austauschen nach dem Motto „Was antworte ich jetzt?“, dann sind das Anhaltspunkte für verdächtiges Verhalten. Worauf ich also achte: Welche Beteiligten sind da zugange? Wie sind ihre wirtschaftlichen Verhältnisse? Passt es zusammen, dass jemand, der Hartz IV bezieht, eine Rolex-Uhr hat? Dann ist der nächste Punkt die technische Kompatibilität.

Was meinen Sie damit?

Jedes Handy, jeder Laptop enthält heute Sensoren, die anschlagen, wenn Flüssigkeit eingedrungen ist. Wir hatten mal einen Fall, da meldete ein Kunde einen Sturzschaden für sein Handy – auf der Platine klebte aber noch die Fanta. Das passt einfach nicht zusammen.

Ich weiß, jetzt kommt eine Standardfrage – aber ich muss sie stellen: Was war der krasseste Fall von Versicherungsbetrug, der Ihnen untergekommen ist?

Ja, die höre ich tatsächlich immer in Interviews. Ich beantworte sie nur nicht so gerne, weil ich da eher enttäuschen muss. Denn DEN spektakulären Fall gibt es nicht wirklich. Kein Kunde macht die Tür auf und sagt: „Heitmann, Sie haben mich. Ich war es. Ich bin ein Betrüger!“ Und dann kommen Polizei, Handschellen und der Kunde wird abgeführt. Sie gehen eher auf eine Reise mit dem Kunden, hören sich seine Seite an, innerlich läuft das beschriebene Prüfmuster ab, sie fragen nach, es geht hin und her, sie sind sich nicht ganz sicher, suchen weitere Anhaltspunkte und so geht das noch eine Weile weiter. Aber ich kann ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Ich erinnere mich an einen Fall, der war einfach schräg.

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Karen

Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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