Matthias Helberg ist Versicherungsmakler aus Osnabrück. © privat
  • Von Redaktion
  • 06.05.2021 um 18:16
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Der Versicherungsmakler und BU-Experte Matthias Helberg wurde von Pfefferminzia darum gebeten, die aus seiner Sicht deutlichsten Trends in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) zu benennen und zu beurteilen. In seinem Gastbeitrag appelliert Helberg an seine Kollegen, so manche Marktentwicklung kritisch zu hinterfragen und nicht „auf jeden vorbeifahrenden Zug aufzuspringen“.

Ein recht deutlicher Trend bei den Berufsunfähigkeitsversicherern (BU) geht dahin, Möglichkeiten zu suchen, eine unbefristete Anerkennung einer Berufsunfähigkeit möglichst hinauszuschieben. Was früher das teilweise mehrfach eingeräumte Recht war, eine Berufsunfähigkeit für 12 bis 24 Monate befristet anzuerkennen, sind heute Leistungsbausteine à la AU-Klausel, Krebs-Klausel, Grundfähigkeitsklausel et cetera.

Ihnen allen ist gemein, dass die Leistung nur befristet anerkannt wird. Irgendwann müssen die Versicherten aber doch hingehen und einen BU-Leistungsantrag stellen, falls sich ihr Gesundheitszustand nicht bessert. Das ist nach Ablauf von 12, 24 oder 36 Monaten vielleicht gar nicht mehr so einfach. Die eigentliche Aufgabe einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist es – sofern Berufsunfähigkeit eingetreten ist – so lange zu leisten, wie die Berufsunfähigkeit andauert. Punkt. Ein Überprüfungsrecht hat jeder Versicherer im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens. Man wird also sehr genau hinsehen und bewerten müssen, welche dieser Klauseln den Versicherten wirklich einen Mehrwert bieten. Und wir als Versicherungsmakler sind gefordert, die Versicherten über die Auswirkung der Beantragung dieser befristeten Leistungen aufzuklären.

Der zweite recht deutliche Trend ist der Versuch einer wachsenden Anzahl von Versicherern, heute abgegebene Versprechen auch noch in 30, 40 oder 50 Jahren halten zu können – um es positiv auszudrücken. Weniger positiv ausgedrückt würde ich sagen: Immer mehr Versicherer räumen sich das Recht ein, spätere Erhöhungen des Versicherungsschutzes durch die Beitragsdynamik oder Nachversicherungsgarantien zu den dann gültigen Rechnungsgrundlagen vorzunehmen. Hier gilt es, folgendes abzuwägen: Einerseits die berechtigten Interessen der Versicherten, möglichst flexibel über die gesamte Laufzeit ihres Vertrages ihre Absicherungshöhe oder einzelne Leistungsbausteine erhöhen oder auch absenken zu können. Andererseits das sicherlich ebenso berechtigte Interesse und die Möglichkeiten eines Lebensversicherers, heute gegebene Garantien über eine dermaßen lange Laufzeit auch einhalten zu können.

Makler müssen abwägen

Ganz pragmatisch stellt sich für uns Versicherungsmakler vor diesem Hintergrund die Frage, bei welchem Versicherer unsere Mandantinnen und Mandanten besser aufgehoben sein werden: Bei denen, die sich heute maximal festlegen oder bei denen, die auf sich ändernde Verhältnisse zumindest bei Erhöhungen heute dokumentierten Versicherungsschutzes flexibel reagieren können? Bei dieser Abwägung könnte die Überlegung helfen, wie sehr sich unsere Welt in den letzten 20 Jahren verändert hat. Oder auch ein Blick auf die Abläufe heute vermittelter BU’s. Bei uns war das im letzten Jahr ein Vertrag, der bis 2076 halten soll.

Bedingungs-Gegenstück zum „Berufsgruppen-Bingo“

Der dritte deutliche Trend ­– zumindest aus meiner Sicht – ist der Bedingungskampf um Unwesentliches. Da führen Versicherer, Ratingunternehmen, Tester und wir als Vermittler verbissene Diskussionen um Klauseln, die in der Praxis quasi ohne irgendeinen Einfluss im Leistungsfall sind. Ein schönes Beispiel dafür ist die Diskussion um den altersentsprechenden oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfall. Die viele Energie, die dafür aufgebracht wird, wäre an anderer Stelle sicherlich besser eingesetzt. Das Schlimmste an derlei „Gänseblümchenklauseln“ ist die Eigendynamik des Marktes: Ein Versicherer fängt damit an, ein Tester oder Rater bewertet das, alle anderen Versicherer müssen nachziehen, wollen sie im Test oder Rating nicht absacken. Also das Bedingungs-Gegenstück zum „Berufsgruppen-Bingo“, wo der Wettbewerb ähnliche Auswirkungen hat.

Fazit: Als Versicherungsmakler sollten wir uns im Interesse der Versicherungswilligen mehr trauen, Wesentliches von Unwesentlichem in den BU-Versicherungsbedingungen zu trennen. Das wird im Zweifelsfall von größerem Nutzen für unsere Mandantinnen und Mandanten sein, als auf jeden Trend, jeden vorbeifahrenden Zug, aufzuspringen.

Der Autor

Matthias Helberg ist seit 1998 als unabhängiger Versicherungsvermittler tätig und ist Inhaber des Unternehmens Matthias Helberg Versicherungsmakler e. K. in Osnabrück. Helberg schreibt regelmäßig Artikel und Blog-Beiträge, insbesondere zu seinem Schwerpunkt Arbeitskraftabsicherung und Berufsunfähigkeit.

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