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  • 27.05.2014 um 11:52
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Die rasante Entwicklung in der Informationstechnologie verändert die Finanzberatung. Wer als Berater künftig mithalten will, braucht Know-how, die richtige Software und mobile Endgeräte.

Von Oliver Lepold

Als der Wanderer aus seinem Hotel tritt, meldet sich sein digitaler Assistent. „Im Winter in dieser Gebirgsregion unterwegs, da empfehle ich eine Unfallversicherung.“ Das System hat aufgrund der über das mobile Endgerät getätigten Hotelbuchung erkannt, dass sein Besitzer einige Zeit in einer Bergregion verbringen wird. Diese gilt aufgrund der Jahreszeit, der aktuellen Wetterdaten und der Unfallstatistik als nicht ungefährlich. Um das Risiko abzudecken, hat der digitale Assistent bereits geeignete Versicherungstarife verglichen und bietet nun die drei besten Varianten zum Sofortabschluss per digitalem Payment an.

Was heute noch befremdlich klingt, wird im Jahr 2020 Alltag sein. „Intelligente Systeme, die selbstständig die Umgebung ihrer Nutzer analysieren und sich mit anderen Geräten austauschen, werden dem User ungefragt Empfehlungen einspielen, wenn eine Entscheidung ansteht“, sagt Sven Gábor Jánszky. In der Studie „Versicherungen 2020: Kunden, Makler, Changeprozesse“ zeichnet der Trendexperte das Bild einer neuen Finanzberatung. Nicht die Regulierung, sondern der Fortschritt in der IT, neue Kundenschnittstellen und verändertes Kundenverhalten bestimmen dabei die Richtung.

Berater müssen sich neu positionieren

Für den unabhängigen Finanzberater heißt das: Er muss sich neu positionieren, denn allein durch Produkt- und Marktkompetenz wird er nicht mehr punkten können. Das kann die Software besser. „Der Makler der Zukunft ist ein Life Coach, der seinen Kunden dessen wirkliche Bedürfnisse erkennen lässt, diese gemeinsam mit ihm entwickelt und Lösungen dafür findet“, sagt Jánszky voraus.

Bereits heute spielt die IT eine entscheidende Rolle bei der Frage, wie effektiv ein Berater seinem Tagesgeschäft nachgehen kann. „Die Entscheidung für eine individuelle Software ist für einen Finanzberater ähnlich bedeutend wie ein Hauskauf bei einem Verbraucher“, weiß Martin Kinadeter.

Der Inhaber des Versicherungssoftwareportals VSP vermittelt seit zehn Jahren IT-Systeme diverser Anbieter für Finanzberater, Vertriebe und Versicherungen und kann beziffern, wie teuer eine Fehlentscheidung werden kann: „Bei einem kleinen bis mittleren Betrieb schätzen wir auf zehn Jahre gesehen die Opportunitätskosten auf 200.000 bis 300.000 Euro.”

Die Zeit fehlt

Das Problem: Berater haben selten die Expertise und noch seltener die Zeit und Nerven, den IT-Markt akribisch zu scannen. Nur wenige Anbieter haben Lösungen aus einer Hand, häufig wird nur entweder ein Programm zur Verwaltung, für Produktvergleiche, die Provisionsabrechnung oder eine Beratungssoftware angeboten. „Wenn Einzellösungen kombiniert werden, kommt es oft zu Problemen mit den Schnittstellen und der Datenübertragung. Medienbrüche, die Mehrfacheingaben erfordern, sind ein Hauptärgernis in der Branche“, weiß Kinadeter.

Viele Berater suchen daher versierten Rat bei einem Maklerpool. Die Pools haben längst erkannt, dass nicht mehr nur Top-Produkte und hohe Provisionen ihr Wachstum bestimmen, sondern es immer stärker auch auf den Rundum-Service für Berater ankommt. In jüngster Zeit haben die führenden Maklerpools viel in ihre Beratungs- und Abwicklungssoftware investiert. Jung, DMS & Cie hat auf dem Fondskongress die relaunchte „World of Finance“ vorgestellt, die Netfonds Gruppe stellt die von ihrer Tochter entwickelte Poolsoftware „AdWorks“ all ihren Maklern zur Verfügung, und die Fonds Finanz hat eine neue Investment-Plattform angekündigt.

„Die großen Pools sind tendenziell im Vorteil. Ob eigene oder externe Softwarelösungen zum Einsatz kommen, wird kontrovers diskutiert“, bestätigt Vertriebsexpertin Sabine Brunotte, die den Service der deutschen Pool-Landschaft in einer jährlichen Studie analysiert. „Eigenentwicklungen haben eher das Potenzial zum Alleinstellungsmerkmal, sind aber kostenintensiv. Wer auf Fremdsoftware setzt, spart Entwicklungskosten, hat jedoch meist ein Produkt von der Stange und begibt sich im schlimmsten Fall in Abhängigkeit vom IT-Dienstleister“, so Brunotte.

Papierlose Arbeit

Das Ziel der Pools: Der Makler soll auf allen Produktfeldern den kompletten Weg von der Produktauswahl bis zum Abschluss auf der pooleigenen Plattform absolvieren und Stammkundenangaben direkt in die Anträge oder Tools übernehmen können. Papier soll möglichst überflüssig werden. „Unsere komplette Oberfläche läuft nach dem Relaunch auf allen mobilen Endgeräten. Bei vielen Versicherern sind unterschriftsfreie Online-Abschlüsse oder elektronischen Signaturen möglich“, bestätigt Sebastian Grabmaier, Vorstandschef der Jung, DMS & Cie.

Beim mobilen Service für den Endkunden ist bei der Assekuranz hingegen noch viel Luft nach oben. Die Systeme sind jedoch darauf angewiesen, das der Datenaustauch mit den Produktgebern reibungslos funktioniert. „Die Datenformate sollten möglichst identisch sein. Wenn ein Versicherer mehrfach im Jahr sein Datenformat ändert, müssen jedes Mal Schnittstellen umgebaut werden“, benennt Grabmeier einen wunden Punkt. Erst langsam setzt sich in der Branche mit der Bipro-Norm ein allgemeiner Datenstandard für alle Teile des Beratungsprozesses in der Assekuranz durch.

Maklerpools könnten am Ende die Gewinner des Technikwettlaufs in der Branche sein. Auch noch im Jahr 2020. „Sie können dem Makler helfen, die Macht über die Daten seiner Kunden zu behalten und sie nicht an Google & Co. oder an die Versicherungskonzerne zu verlieren“, glaubt Zukunftsforscher Jánszky. Dazu müssten Pools die Aufgabe übernehmen, den Kunden ihren elektronischen Risiko-Assistenten auf sein Handy zu spielen. Ganz ersetzen aber können wird die weiterentwickelte Software den Berater insbesondere im gehobenen Kundensegment auch 2020 nicht.

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