Christian Nuschele ist Vertriebsleiter Deutschland bei Standard Life. © Standard Life
  • Von Lorenz Klein
  • 13.11.2020 um 08:51
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 03:20 Min

Schadet die Pandemie den Versicherern mehr als es bislang scheint? Einige Investoren sind davon laut Medienberichten überzeugt. Dessen ungeachtet zieht Christian Nuschele, Vertriebschef von Standard Life, eine positive Corona-Zwischenbilanz. Im Interview erklärt er, wie er das Storno-Risiko für den Versicherer einschätzt und warum das Neugeschäftsvolumen trotz der Krise sogar gestiegen ist.

Pfefferminzia: Im Zeichen von Corona ging in der Branche die Befürchtung um, dass viele Verbraucher in Folge der wirtschaftlichen Verwerfungen ihre Verträge aussetzen oder gänzlich kündigen könnten. Im Sommer erklärte Standard Life, dass man nur eine leicht überdurchschnittliche Zahl von Kündigungen erhalten habe. Gibt es zum Storno-Verhalten der Kunden aktuelle Zahlen, die Sie uns nennen können – und was ließe sich daraus ableiten?

Christian Nuschele: Die Stornoquote liegt aktuell bei etwas über 2 Prozent, so wie in einem ganz normalen Jahr. Im Frühjahr und Sommer haben wir jeden Tag genau geschaut, was tatsächlich an Kündigungen, Beitragsfreistellungen und Beitragsstundungen reingekommen ist. Das war durchaus mehr als sonst, aber das hat uns nicht wirklich überrascht, weil sich die Kunden natürlich neu sortieren mussten und schauen mussten, wie sie mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation klarkamen. Das ist aber sehr, sehr schnell wieder abgeflacht. Und ganz aktuell schauen wir uns die Zahlen zwar immer noch täglich an, aber es gibt hier keine Auffälligkeiten. Wir sind in allen Bereichen im Schnitt – sowohl was die Kündigungen, die Beitragszahlungen und die Beitragsfreistellungen angeht, als auch was die Shifts and Switches im Fondsbereich angeht. Kurzum: Im Moment gibt es keine Auffälligkeiten mehr gegenüber einem ganz normalen Jahr.

Bleiben wir beim Thema Fonds: Im Sommer hieß es, dass die meisten Fonds Ergebnisse erwirtschaftet hätten, die in der Krise zu erwarten waren. Wie stellt sich das Performance-Bild in den unterschiedlichen Risikoklassen seit Jahresbeginn dar?

Wir haben auf der einen Seite einen sehr großen Bestand von über zwölf Milliarden Euro, die in den With Profits, also einem Multi-Asset-Fund mit Garantiekonzept, stecken. Im Höhepunkt der Krise haben dann auch die Börsen massiv nachgegeben, wodurch es hier eine zwischenzeitliche, kleine Delle bei den entsprechenden Fonds gab. Aber es gibt ja einen großen Unterschied zwischen der reinen Performance und dem was der Kunde am Ende gutgeschrieben bekommt. Hier haben sich die Vorteile des Glättungsverfahrens gezeigt, so dass wir alles in allem von einer sehr stabilen Entwicklung der With Profits sprechen können. Ansonsten vertrauen wir bei unseren im Neugeschäft verfügbaren Fondspolicen sowohl auf der aktiven als auch auf der passiven Seite auf unsere risikogesteuerten Portfolien – die sind bewusst so gestaltet, dass sie sich innerhalb von Volatilitätskorridoren bewegen sollen, das heißt, dass wir in einer Risikoklasse bestimmte Schwankungsbreiten nicht überschreiten wollen. Und genau das haben die Fonds auch in den Krisenmonaten getan.

Und um Ihnen auch ein Gefühl zu geben, wo die Fonds im Moment so stehen, nehme ich jetzt mal exemplarisch einen Balance Fund aus unseren MyFolio-Familien, also den mittleren von fünf Risikoklassen. Hier ist es so, dass der MyFolio Active Balance Fund auf Jahresbasis zu Ende September bei einem Minus von 4,4 Prozent lag, wobei wir aber im Jahr 2019 ein Plus von 16,4 Prozent erwirtschaften konnten, jeweils nach Kosten.

Das klingt ja fast so, als müsse man als Kunde gar nicht so viel Sorge haben und kann sich da eigentlich zurücklehnen und die Fonds arbeiten lassen, auch in der Krise. Oder täuscht der Eindruck?

Ich glaube, es ist wichtig, sich grundsätzlich mehrfach im Jahr mit seiner Vorsorge auseinander zu setzen. Ich würde auch mal unterstellen, dass die Mehrzahl unserer Kunden in diesem Jahr mit Beginn der Corona-Krise mit ihrem Berater gesprochen hat. Wenn das nicht der Fall war, hoffe ich, dass der Berater die Initiative ergriffen hat, um einen Quer-Check anzubieten.

Ich glaube, dass es auch Sinn macht, spätestens zum Jahresende genau so zu handeln – aber nicht so sehr deshalb, um die Auswahl des Fonds in Frage zu stellen, sondern vielmehr, um zu überprüfen, ob das, was man als Kunde im Moment an Risiko eingeht, noch zu den persönlichen Zielen und Plänen passt. Vor allem abseits von gut gemanagten Portfolios im Rahmen einer fondsgebundenen Versicherung, also im Falle von Einzelfonds macht es natürlich Sinn, sich kritisch damit auseinander zu setzen, ob man noch die richtigen Fonds ausgewählt hat.

Viele Makler sind ja auch durchaus gewillt, das Gespräch mit den Kunden zu suchen. Die Frage ist, ob denn auch der Kunde mitspielt? Wie ist hier die Lage im Neugeschäft von Maklern, mit denen Sie als Haus zusammenarbeiten, aktuell einzuschätzen?

Die Stückzahl der neu abgeschlossenen Lebens- und Rentenversicherungen sind nach unserer Beobachtung gegenüber 2019 deutlich zurückgegangen. Was aber zugenommen hat, ist das Neugeschäftsvolumen. Heißt also: Es werden weniger Verträge abgeschlossen, aber die Verträge, die abgeschlossen werden, haben ein höheres Volumen als bisher – ein Bild, was sich im Moment auch bei uns zeigt: Die Stückzahlen sind ein Stück weit runtergegangen, das Volumen hat zugenommen. Und das führe ich vor allem darauf zurück, dass die gewachsenen Kundenbeziehungen einfach genutzt wurden, um in der Krise – salopp gesagt: Tabula rasa zu machen, um sich wirklich ganz konsequent zu überlegen, wie weit ich als Kunde auf meiner Altersvorsorge-Journey denn gekommen bin? Was muss ich im Moment noch tun, welche Weichen sind noch zu stellen und welche Anlageentscheidungen, die ich immer aufgeschoben habe, machen noch Sinn?

Man sieht hier also schon sehr, sehr deutlich auf recht breiter Basis, dass der Vorsorge-Bereich gut funktioniert hat, weil die Leute einfach tendenziell mehr von zu Hause aus gearbeitet haben, weil bei Ihnen eine gewisse Entschleunigung eingetreten ist, weil man sich jetzt die Zeit für Entscheidungen genommen hat, die man im normalen hektischen Alltag vor der Corona-Krise immer vor sich hergeschoben hat. Da ist eine hohe Sensitivität entstanden, was auch uns im Neugeschäft zugutekommt.

 

autorAutor
Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort