Mathias Berg, Chief Insurance Officer, Thinksurance © Thinksurance
  • Von Redaktion
  • 01.10.2021 um 10:26
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Im Jahr 2026 sieht die Versicherungsbranche ganz anders aus. Doch die Richtung zeichnet sich schon jetzt deutlich ab – bei Vernetzung, Kollaboration und Künstlicher Intelligenz. Davon ist Mathias Berg, Chief Insurance Officer des Insurtechs Thinksurance, überzeugt. „Die Marktteilnehmer können und sollten spätestens jetzt die Weichen dafür stellen“, fordert Berg in seinem Gastbeitrag.

Das wertvollste Gut eines Vermittlers sind seine Kunden – und das Wissen, dass er über seine Kunden hat. Dies gilt besonders im Gewerbe- und Industriegeschäft: Mitarbeiterstruktur, Umsätze, Vorschäden, die Situation in den Betriebsstätten – all dieser Informationen bedarf es, um den Kunden adäquat zu beraten.

Daten waren schon immer die Grundlagen des Versicherungsgeschäfts. Doch allzu lange blieb ihr Potenzial ungenutzt: Weder waren die vielen, kleinen Datenpfützen oder die etwas größeren Datentümpel ausreichend, um aussagekräftige Analyseergebnisse zuzulassen, noch waren überall die Tools und Kompetenzen vorhanden, um überhaupt in eine wertstiftende Analyse einzusteigen. Für die Branche war das lange Zeit kein Problem.

Doch mit dem Willen zur Digitalisierung und der Welle der digitalen Transformation traten neue Fragen auf: Was wäre, wenn sich mehr Daten zusammenfassen ließen, wenn das Gewässer größer würde? Oder was wäre, wenn sich quer über die Branche Daten auch von verschiedenen Wettbewerbern mit analysieren lassen würden? Was würde dies für Vertriebs- und Produktmöglichkeiten eröffnen?

Wie bei allen neuen Möglichkeiten, so gibt es auch immer die Skeptiker. Die, die an ihren selbst entwickelten Insellösungen festhalten. Doch dieser Protektionismus blockiert. Er blockiert den Markt und er blockiert neue Chancen. Hier fehlt es noch immer an Verständnis, dass es die komplette Vernetzung und die umfassende Kollaboration braucht, um die Daten für alle – Kunden, Makler und Versicherer – wert- und sinnstiftend nutzbar zu machen.

Ein Ausblick

Wagen wir einen Blick ins Jahr 2026: Technologische Modelle zur Zusammenführung möglichst vieler Datenpunkte aus der Gewerbe- und Industrieversicherung sowie smarte und neutrale Kompetenzen zur Aufbereitung, Analyse und Interpretation gibt es längst – und sie sind gefragt wie nie. Der Datenprotektionismus ist zumeist zerbröckelt. Die meisten großen Versicherer haben erkannt, dass die Zusammenführung anonymisierter, aggregierter und pseudonymisierter Daten die eigene Produktentwicklung und die eigene Position im Markt vorangebracht haben. Drei haben es einige Zeit mit einer eigenen selbstgestrickten Lösung und einer eigenen Partnerschaft versucht, einer davon hat überlebt. Für alle anderen ist aus den Datenpfützen ein „Data Lake“ mit vielen Zuströmen entstanden, der über alle Sparten hinweg Daten aus unzähligen Risikobewertungen, Policen und Schadensfällen in Echtzeit analysiert.

„Neue Technologien und neue Insights aus Daten sind ein wunderbarer Nährboden für Innovationen und Disruption.“ Mathias Berg, Chief Insurance Officer

Die Versicherer richten ihre Produkte nicht nur passgenau auf die Marktentwicklungen aus. Ihnen ist es auch möglich, jedes Produkt individuell auf den Kunden und seine Risikosituation zuzuschneiden. Und wer jetzt denkt, dass so viel Individualität zu einem zu hohen Verwaltungsaufwand führen wird, kann beruhigt in die Zukunft schauen. Alle Systeme sind klug miteinander vernetzt, sodass Daten ohne aktives Zutun weitergegeben und zahlreiche Prozesse automatisch angestoßen werden.

Zudem geben Künstliche Intelligenzen Handlungsempfehlungen, die der Nutzer mit nur wenigen Klicks ansteuern kann. Denn die Stärke der Künstlichen Intelligenz (KI) ist ihre Fähigkeit, komplexe Datenmengen zu analysieren. So können Risikoeinschätzungen effizienter getroffen und selbst kleinere Schadensfälle geprüft werden. Dann kommt sogleich die Automatisierung ins Spiel: Entscheidet die KI, die Versicherungssumme auszuzahlen, wird dieser Prozess automatisch angestoßen. Zudem bahnt sich am Horizont von Gewerbe- und Industriekunden eine neue Arbeitsweise an: Intelligente Anwendungen werden Daten in den Betriebsstätten erfassen, analysieren und auf eventuelle Gefahren hinweisen, noch bevor diese eintreten.

Und die Vermittler? Sie entwickeln ein neues Selbstverständnis, sind weniger Verkäufer als vielmehr Risikomanager, Berater und Begleiter des Unternehmens. Sie schaffen Mehrwerte und navigieren Unternehmen sicher durch die zur Verfügung stehenden Optionen.

Nächste Schritte

Die größten Herausforderungen im Jahr 2026 werden für die Marktteilnehmer der ständige Wandel innerhalb der Unternehmensmodelle und der rasche Wechsel im Markt sein: Neue Technologien und neue Insights aus Daten sind ein wunderbarer Nährboden für Innovationen und Disruption. Und über allem stehen die Themen Verantwortung und Ethik, denn die KI ist immer nur so gut wie ihre Daten.

Was also tun, wenn die Daten auch die eher unschönen Seiten unserer Gesellschaft beinhalten? Wie können komplexe Datenanalysen mit möglichst viel Datenschutz und Privatsphäre vereint werden? Und wie überhaupt umgehen mit falschen Entscheidungen, die die KI getroffen hat? All dies sind Fragen, die es in den kommenden Jahren zu beantworten gilt. Damit die Aussichten weiterhin gut bleiben.

Über den Autor:

Mathias Berg ist Chief Insurance Officer bei Thinksurance. In dieser Funktion verantwortet er den Aufbau und die strategische Weiterentwicklung aller Partnerschaften mit Versicherungsunternehmen und unterstützt ebendiese bei den Herausforderungen der Digitalisierung. Bevor er 2020 zu Thinksurance kam, war der gebürtige Heppenheimer Geschäftsführer des digitalen Versicherungsmaklers Clark und leitete dort unter anderem das B2B-Geschäft.

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