Michael Hüther ist Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). © IW
  • Von Redaktion
  • 24.11.2016 um 19:17
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Wenn die Große Koalition am Donnerstagabend über einen Rentenkompromiss verhandelt, könnte es spät werden. Sehr spät. Denn es stehen viele Punkte auf der Agenda. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) warnt die Koalitionäre davor, die Interessen der jungen Beitragszahler und Kinder aus den Augen zu verlieren - denn diese kämen häufig zu kurz.

Dass die Bundesregierung noch vor Beginn des Wahlkampfes ein parteiübergreifendes Rentenkonzept verabschieden will, sieht das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) skeptisch. Es sei fraglich, ob damit das Rententhema aus dem Bundestagswahlkampf herausgehalten werden könne, meinen die Wirtschaftsforscher: So würden zu viele Punkte auf der Agenda stehen, außerdem seien die Positionen vor allem jenseits der Großen Koalition zu unterschiedlich.

Über welche Themen am Donnerstagabend debattiert und entschieden werden soll, haben die Wirtschaftsforscher vor dem Rentengipfel kompakt zusammengefasst und warnen dabei auch vor allzu freigiebigen Entscheidungen zu Lasten der jungen Generation – der Forderungskatalog des IW im Wortlaut:

Haltelinie Rentenniveau: Angesichts der Prognosen, dass die gesetzliche Rente langfristig sinken wird, möchte Bundessozialministerin Andrea Nahles eine Haltelinie ziehen. Wo die liegen soll, ist aber noch offen. Dabei besteht bereits mit dem Mindestsicherungsniveau von 43 Prozent eine solche Untergrenze, die aber über das Jahr 2030 hinaus verlängert werden sollte. Insbesondere wenn man beim Sicherungsniveau den Anstieg der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre berücksichtigt, dürfte die Haltelinie von 43 Prozent bis weit in die kommenden Jahrzehnte Jahre ausreichen.

Doppelte Haltelinie, Obergrenze Beitragssatz: Sollte die Bundesregierung am aktuellen Sicherungsniveau vor Steuern festhalten, drohen neue Finanzierungslasten, die künftige Beitragszahler zusätzlich – also über die ohnehin anstehenden Mehrbelastungen hinaus – schultern müssen. Sie sollte daher den Beitragsanstieg auf maximal 22 Prozent über das Jahr 2030 hinaus beschränken, ansonsten wird auch ein höheres Renteneinstiegsalter unvermeidlich.

Einbeziehung von Selbständigen: Manch einer glaubt, mit der Ausweitung der Versicherungspflicht auf bislang nicht versicherte Selbständige zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können: Gerade geringverdienende Selbständige könnten vor Altersarmut geschützt werden und im Idealfall würden die neuen Mitglieder mehr einzahlen, als sie zunächst an Ansprüchen geltend machen.

Um über die beitragsbezogene Rente gegen Altersarmut abgesichert zu sein, müssen aber über eine ausreichend lange Zeit hohe Beiträge eingezahlt werden. Allein die Mitgliedschaft im gesetzlichen System garantiert noch keinen Schutz vor Armut – zumal offen bleibt, ob der Ehepartner nicht für das Alter mit vorsorgt.

Umgekehrt bedeutet ein Beitragssatz von 18,7 Prozent für einen Selbständigen ein um den gleichen Prozentsatz niedrigeres Nettoeinkommen. Für manch Erwerbstätigen könnte sich dann aber der Arbeitseinsatz nicht mehr lohnen. Der Gesellschaft ginge dann aber nicht nur deren produktive Leistung verloren, im schlimmsten Fall käme ein weiterer Transferempfänger hinzu.

Rentenrechtsangleichung Ost/West: 25 Jahre nach der Wiedervereinigung fordert Nahles, das Rentenrecht zu vereinheitlichen. Warum dies aber ab dem Jahr 2020 fast 4 Milliarden Euro kosten soll, erschließt sich nicht. Denn die Ostrentner werden bislang nicht benachteiligt. Nach dem bestehenden Rentenrecht erhalten Beschäftigte bei gleichem Verdienst in den neuen Ländern sogar mehr Rente als im Westen. Vielmehr muss es darum gehen, das Rentenrecht aufkommensneutral zu vereinheitlichen, also zusätzliche Lasten für die Beitrags- und Steuerzahler zu vermeiden.

Erwerbsminderung absichern: Werden Arbeitnehmer erwerbsunfähig, ist dies häufig mit einem erhöhten Armutsrisiko verbunden. Deshalb macht es Sinn, wenn die Koalitionäre über längere Zurechnungszeiten und den Verzicht auf Abschläge bei frühzeitigem Bezug der Altersrente diskutieren. Unabhängig davon ist es aber weiterhin unvermeidbar, dass die Beschäftigten auch privat vorsorgen.

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