Lars Thomsen ist Zukunftsforscher und Gründer von Future Matters. © Lars Thomsen
  • Von Manila Klafack
  • 16.02.2018 um 09:20
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Der Schweizer Zukunftsforscher Lars Thomsen untersucht Trends und ermittelt sogenannte Tipping Points. Das ist der Zeitpunkt, an dem eine bisher gradlinige Entwicklung eine ganz neue Wendung nimmt. Im Gespräch mit Pfefferminzia erzählt er von den Ergebnissen seiner Beobachtungen.

Pfefferminzia: Wie sieht die Welt in zehn Jahren aus?

Lars Thomsen: Im kommenden Jahrzehnt wird sich die Welt stärker verändern als sie es in den zurückliegenden zehn Jahren getan hat. Die Innovationen werden zunehmen. Am Beispiel Smartphone sehen wir, wie rasant die Entwicklung voranschreitet. Im Jahr 2007 veränderte sich mit der Präsentation des ersten iPhones von Apple die Kommunikation und mit ihr die digitale Welt. Bis dahin schrieben wir mit dem Handy lediglich SMS und telefonierten. Doch heute, weniger als 600 Wochen später, hat mehr als die Hälfte der Menschheit ein solches Gerät und damit fast uneingeschränkten Zugang zu Wissen, Netzwerken und anderen Menschen und die Möglichkeit, eigene Ideen und Erfahrungen digital zu teilen. Der Megatrend der Digitalisierung ist allerdings fast abgeschlossen. Denn die meisten anlogen Technologien wurden bereits durch digitale ersetzt. Der Digitalisierung folgt nun ein noch fundamentalerer Megatrend: Künstliche Intelligenz. Die Geräte von morgen werden uns verstehen, sie denken und lernen.

Was bedeutet das für unseren Alltag?

Schon heute gibt uns Amazon mit Alexa einen ersten Vorgeschmack. Alexa versteht beispielsweise nach einer Spracheingabe „mir ist kalt“, dass das System die Heizung höher einstellen soll. Oder kann auf den Zuruf „das Essen ist auf dem Tisch“, passende Dinner-Musik abspielen und das Licht in der Wohnung dimmen. Dies zeigt die Richtung, wie wir künftig mit Computern interagieren werden: Mit künstlicher Intelligenz können die Systeme jetzt lernen, uns immer besser zu verstehen – nicht umgekehrt. Ähnlich wie wir Menschen, lernen sie über die Zeit immer besser zu werden. Es verhält sich ungefähr so, als ob wir mit 18 Jahren unseren Führerschein in der Tasche haben, aber danach in der Praxis noch sehr viel Erfahrung sammeln müssen, um wirklich souverän Autofahren zu können. Mit einem großen Unterschied: Wir lernen für uns allein, die Systeme dagegen im Kollektiv in der Cloud. Wenn beispielsweise 10.000 autonom fahrende Fahrzeuge ihre Lernerfahrungen im Straßenverkehr täglich in der Cloud „teilen“, dann lernen sie schneller als jeder Mensch, der dies nur alleine macht. Das ist der Grund, warum in den kommenden Jahren viele Dinge möglich werden, die derzeit unmöglich erscheinen.

Welche weiteren Trends werden sich in den kommenden Jahren durchsetzen?

Da gibt es einige. Aber um vielleicht die aus meiner Sicht einflussreichsten Megatrends zu nennen: Die nächste Dimension der Globalisierung, Urbanisierung und die Neudefinition des Begriffs „Arbeit“. Alle drei werden die Gesellschaften vor extrem große Herausforderungen stellen. Trotz dem vermeintlich aufkommenden Gegentrend einer neuen Nationalstaatlichkeit, erklimmt die Globalisierung nun die nächste Stufe: Nicht nur Märkte und Firmen sind global vernetzt, sondern auch das Individuum und die Innovation. Dies erzeugt ein neues Spannungsfeld, da auf der einen Seite der Ruf nach stärkeren Grenzen aufkommt, andererseits Innovation, Unternehmen und Individuen zunehmend in „grenzenlosen“ Netzwerken funktionieren. Der weltweite Zuzug in die Städte, die zunehmenden Megacities und Innovations-Metropolen, verlangt viele neue Lösungen etwa bei Mobilität, Ernährung und Wohnraum. Schließlich verändert sich die Arbeitswelt durch den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik so stark und schnell, dass wir davon ausgehen, dass in zehn Jahren die Hälfte der Deutschen nicht mehr in traditioneller Art und Weise arbeiten wird. Das betrifft Arbeitszeiten, Arbeitsorte und selbst eine klassische Karriere wird es nicht mehr so geben. Permanente Weiterbildung wird existentiell. Eine einmal abgeschlossene Ausbildung bringt uns keine 40 Jahre mehr durch das Berufsleben ohne regelmäßige Updates.

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Manila Klafack

Manila Klafack war bis März 2024 Redakteurin bei Pfefferminzia. Nach Studium und redaktioneller Ausbildung verantwortete sie zuvor in verschiedenen mittelständischen Unternehmen den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.

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