René Schoenauer, Guidewire Software. © Guidewire Software
  • Von Redaktion
  • 29.03.2022 um 11:56
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Ohne eine koordinierte Anstrengung der Versicherer kann der Klimawandel zu einem inakzeptablen Maß an nicht versicherbaren Risiken führen, davon ist René Schoenauer, Direktor Produktmarketing EMEA beim Software-Anbieter Guidewire, überzeugt. Wenn sie aber vorhandene Daten besser nutzen und in neue Datentypen investieren, lässt sich das Problem lösen, schreibt er in seinem Gastbeitrag.

Im Jahr 2021 mussten die deutschen Versicherer laut Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 12,5 Milliarden Euro für Schäden durch Naturgefahren zahlen – so viel wie nie zuvor. Die höchsten Versicherungsschäden (8,2 Milliarden Euro) verursachte die Flut im Sommer.

Die schweren Stürme im Februar dieses Jahres brachten bereits die nächste Naturkatastrophe. Sind die Schaden- und Unfallversicherer in der Lage, angemessen auf diese Entwicklung zu reagieren? Um nachhaltige klimabezogene Lösungen anzubieten, muss die Branche ihre Fokussierung auf historische Daten infrage stellen und sich mit innovativen Modellierungstechniken auseinandersetzen.

Die Versicherungslücke wächst

Die sogenannten Sekundärgefahren, wie Überschwemmungen, Sturmfluten und Hagel, haben in den vergangenen Jahren den Großteil der versicherten Schäden aus Naturkatastrophen verursacht. Dies ist zum einen auf Folgen des Klimawandels zurückzuführen, zum anderen auf sozioökonomische Faktoren wie die fortschreitende Urbanisierung. Städte können lokale Wetterereignisse verstärken, wenn zum Beispiel hohe und dicht stehende Gebäude Wetterfronten blockieren und so vom Stadtzentrum wegleiten.

Die Trends, die wir heute sehen, sind nur die Spitze des Eisbergs: Klimawissenschaftler sind sich einig, dass unabhängig von globalen Maßnahmen zur Dekarbonisierung, extreme Wetterereignisse zumindest in den nächsten zehn Jahren zunehmen werden. Dies wird tiefgreifende Auswirkungen auf die Versicherungsbranche haben, insbesondere auf die Preisgestaltung, die Kapitalallokation und die  Nachfrage nach Produktinnovationen.

Weniger als ein Drittel der durch die Flutkatastrophe im vergangenen Jahr verursachten Schäden war von der Versicherung abgedeckt. Viele Privatpersonen und Unternehmen in Deutschland sind derzeit unterversichert – oftmals ungewollt. Gleichzeitig reagieren Versicherer und Rückversicherer auf dieses schwierige Umfeld mit höheren Prämien, Ausschlüssen und Selbstbehalten. Es ist zu erwarten, dass die Schutzlücke für solche Schäden sich weiter vergrößern wird.

Ohne eine koordinierte Anstrengung der Versicherer kann der Klimawandel zu einem inakzeptablen Maß an nicht versicherbaren Risiken führen. Die aktuelle Situation birgt für die Branche eine Verantwortung gegenüber ihren Kunden, aber auch eine wirtschaftliche Chance. Mit den richtigen Investitionen können Versicherer Lösungen für den Risikotransfer finden und aktiv auf die Entwicklung des Marktes reagieren, um die Schutzlücke zu schließen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Versicherungsbranche als Ganzes an Relevanz verliert. Der Lösungsansatz besteht darin, die Risiken für Naturkatastrophen im Detail zu evaluieren und Daten bestmöglich zu nutzen, um geeignete Produkte zu entwickeln.

Neue Datenquellen erschließen

Auf dem Weg zu einer besseren Abdeckung dieser Versicherungsschäden gibt es zwei Herausforderungen. Zum einen sind die Versicherer von historischen Schadendaten und traditionellen Risikomodellen abhängig, die jedoch zur Bewertung künftiger Klimarisiken nicht ausreichend sind; so sind beispielsweise neue Faktoren wie die demografische Entwicklung oder veränderte Bauvorschriften von wachsender Bedeutung für die Bewertung von Immobilienrisiken.

Die zweite Herausforderung ist der Mangel an granularen Daten, die für ein besseres Verständnis sekundärer Gefahren erforderlich sind. Ein Beispiel: Eine Überschwemmung oder ein Hagelgewitter können ein Gebäude beschädigen, während das Nachbargebäude unversehrt bleibt. Hier können Informationen für die Vorhersage von Schäden hilfreich sein, die derzeit oft nicht zugänglich sind, wie zum Beispiel zur Bausubstanz oder zur Lage des Gebäudes.

Um solche granularen Daten zu erheben, müssen Versicherer neue Modellierungstechniken einführen, die es ermöglichen, die Auswirkungen der sich ändernden Wettermuster auf Eigentum und Infrastruktur zu überwachen. Dies wird zu einem besseren Verständnis der Risikoselektion im Zusammenhang mit sekundären Gefahren beitragen.

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