Kein leichter Beruf: Reetdachdecker auf einem alten Bauernhaus in Mecklenburg-Vorpommern. © picture alliance / ZB | Jens Büttner
  • Von Oliver Lepold
  • 19.06.2020 um 11:34
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 02:25 Min

Wenn Selbstständige berufsunfähig werden, prüfen BU-Versicherer in der Regel, ob diese ihren Betrieb so umgestalten können, dass sie weiterarbeiten können. Pfefferminzia hat den BU-Sachverständigen Bert Heidekamp befragt, worauf Makler bei Umorganisationsklauseln achten sollten.

Die betroffene Zielgruppe ist groß, umfasst Selbstständige, Freiberufler und Geschäftsführer, möglicherweise auch Schüler, Studenten, Auszubildende und junge Angestellte. Auch Beamte gehören dazu, falls sie später ihre berufliche Stellung in eine Selbstständigkeit ändern wollen oder eine Betriebsinhaberschaft vererbt bekommen. Für all diese Personen spielt die Umorganisationsklausel im BU-Vertrag eine wichtige Rolle. Denn falls sie nach Unfällen oder schweren Krankheiten ihren Betrieb, ihre Praxis oder Kanzlei so verändern können, dass sie in irgendeiner Form weiterarbeiten können, gelten sie für den BU-Versicherer unter Umständen nicht als berufsunfähig und erhalten keine Leistung.

Doch die entsprechenden Klauseln sind nicht immer eindeutig oder verständlich abgefasst. Der BU-Sachverständige Bert Heidekamp (www.award.versicherung) berichtet, dass es daher immer wieder zu juristischen Streitigkeiten im Leistungsfall kommt. Die Formulierungen fallen oft sehr weitreichend aus, insbesondere, wenn es um die berufliche Stellung, die Größe und die Art des Unternehmens oder um die wirtschaftliche Zumutbarkeit geht.

Die Crux liegt im Kleingedruckten

„Bei der beruflichen Stellung kann es bereits einen Unterschied bedeuten, wenn der Versicherer zwar auf eine Umorganisation bei ‚weisungsgebundenen Arbeitnehmern‘ verzichtet, aber einen Arbeitnehmer mit Direktionsbefugnissen einem Selbstständigen gleichstellt“, sagt Heidekamp und nennt ein Beispiel hierfür. Nämlich den Filialleiter einer oder mehrerer Betriebsteile im Einzelhandel, der hinsichtlich seiner Direktionsbefugnisse als Geschäftsführer den Betrieb faktisch wie ein Inhaber leitet und folglich im BU-Fall von einer Umorganisation betroffen sein kann.

Auch in Fragen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit einer Umorganisation gibt es eine erhebliche Bandbreite. Es bedeutet etwa einen großen Unterschied, ob vom Bruttoeinkommen oder vor Abzug von Personensteuern die Zumutbarkeit für den betroffenen Versicherten berechnet wird. Generell sind Einkommenseinbußen von mehr als 20 Prozent nach einer Umorganisation nicht zumutbar.

Wie sollte eine leistungsstarke Umorganisationsklausel also formuliert sein? Sie muss verständlich abgefasst sein und Konkretisierungen enthalten, ab wann, für wen und unter welchen Voraussetzungen eine Umorganisation besteht und wann darauf verzichtet wird. Unter anderem verzichten etwa Condor, Allianz, Gothaer und Swiss Life auf eine Prüfung der Umorganisation, wenn der Versicherte dadurch mehr als 20 Prozent Einkommenseinbuße hätte, wenn er als Akademiker zu 90 Prozent eine kaufmännische oder organisatorische Tätigkeit ausübt oder über weniger als fünf Mitarbeiter verfügt (Bei Condor sogar weniger als 10 Mitarbeiter, was laut Statista 90 Prozent aller mittelständischen Betriebe in Deutschland sind).

Akribische Prüfung der Formulierungen

Maklern bleibt hier bei der Auswahl geeigneter BU-Tarife für die betroffenen Kundenzielgruppen nichts anderes übrig, als die betreffenden Klauseln einzeln in den Bedingungen kritisch zu prüfen, denn gängige BU-Vergleichsprogramme bewerten oder vergleichen diese nicht auf transparente Weise. „Ein krasses Beispiel ist etwa Check24, hier werden sogar Angestellte und Selbstständige gleichgestellt“, betont Heidekamp.

Leider werde derzeit generell noch vieles vermischt. So sind freiberuflich Tätige, die hinsichtlich ihrer Berufsausübung keiner Fremdbestimmung unterworfen sind, Selbstständigen generell gleichzustellen. „Es gibt aber Rater und Vergleicher, die es positiv bewerten, wenn nur der Selbstständige in der Umorganisationsklausel benannt ist. Das kann fälschlicherweise suggerieren, dass Freiberufler faktisch keiner Umorganisation unterliegen“, warnt der BU-Sachverständige.

Perfide Fallen für Versicherte

Besonders perfide Fallen sieht Heidekamp bei verallgemeinert formulierten Umorganisationsklauseln, die nicht auf Selbstständige beschränkt sind. Zum Beispiel bei folgender Klausel in Altverträgen eines renommierten Versicherers: „Eine betriebliche Umorganisation ist zumutbar, wenn sie wirtschaftlich zweckmäßig ist und von der versicherten Person auf Grund ihres maßgeblichen Einflusses auf die Geschicke des Unternehmens realisiert werden kann und der versicherten Person ein ausreichender Tätigkeitsbereich verbleibt. Für die Verwendung zumutbarer medizinischer oder allgemein verfügbarer Hilfsmittel gelten die Abs. 1 (a), 1 (d) und 3 entsprechend.

In Einzelfällen gibt es zudem Obliegenheitsverpflichtungsklauseln im Markt, die weit über den Standard hinausgehen, die in das Arbeitsverhältnis eingreifen und zum Beispiel verlangen, dass der Versicherer direkt den Arbeitgeber im BU-Fall anschreiben oder kontaktieren kann. Derartiges gelte es natürlich für den Makler durch die Auswahl von BU-Tarifen mit vollständigen und qualitativ hochwertigen Umorganisationsklauseln zu vermeiden.

autorAutor
Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

kommentare
Michael Speiser
Vor 4 Jahren

Ich kann es echt bald nicht mehr hören, auf was Makler so alles achten sollen und wofür sie ggf. sogar haften! Gleichzeitig ist der größte Anteil der Versicherungsvermittler noch immer der Versicherungsvertreter, der sich im Ernstfall hinter einer Gesellschaft versteckt, die, wie z. Bsp. die Generali, völlig unlautere Werbung betreiben darf!

“So machen Partner das!” und “Seit mehr als 200 Jahren intelligente und proaktive Versicherungslösungen!” Tatsächlich werden Bestände im großen Stil abgestoßen und gute Produkte wurden eingestellt. Mittlerweile sind die in der Generali Deutschland AG fussionierten Gesellschaften Erste Allgemeine, Thuringia, Volksfürsorge und nun auch noch die AachenMünchener an die DVAG “verhökert”. Tausende Vermittler, die Jahrzehnte gegen die Organisation und Arbeitsweise der DVAG gewettert und konkuriert haben, haben sich von dieser nun “kaufen” lassen. Und plötzlich wird dem Kunden erzählt: “Die DVAG ist super!”

Viele Jahre war ich für die Thuringia/Generali tätig. Heute muss ich mich geradezu dafür schämen, meinen Kunden deren Produkte angetragen zu haben!

Wo bleibt die Pflicht der Versicherungsvermittler “im bestmöglichen Interesse der Versicherungsnehmer zu handeln” (IDD § 14 Abs. (2))?! Wie kann ein Versicherungsvermittler dieser Vorgabe überhaupt entsprechen, bei derartigen und anderen “Machenschaften” so manchen Versicherers?!

Aber WIR, die Versicherungsmakler, haben offenbar auf Alles zu achten und für Alles einzustehen!!!

    Ridschie Blanko
    Vor 4 Jahren

    Sehr gut Herr Speiser.

Hinterlasse eine Antwort

kommentare
Michael Speiser
Vor 4 Jahren

Ich kann es echt bald nicht mehr hören, auf was Makler so alles achten sollen und wofür sie ggf. sogar haften! Gleichzeitig ist der größte Anteil der Versicherungsvermittler noch immer der Versicherungsvertreter, der sich im Ernstfall hinter einer Gesellschaft versteckt, die, wie z. Bsp. die Generali, völlig unlautere Werbung betreiben darf!

“So machen Partner das!” und “Seit mehr als 200 Jahren intelligente und proaktive Versicherungslösungen!” Tatsächlich werden Bestände im großen Stil abgestoßen und gute Produkte wurden eingestellt. Mittlerweile sind die in der Generali Deutschland AG fussionierten Gesellschaften Erste Allgemeine, Thuringia, Volksfürsorge und nun auch noch die AachenMünchener an die DVAG “verhökert”. Tausende Vermittler, die Jahrzehnte gegen die Organisation und Arbeitsweise der DVAG gewettert und konkuriert haben, haben sich von dieser nun “kaufen” lassen. Und plötzlich wird dem Kunden erzählt: “Die DVAG ist super!”

Viele Jahre war ich für die Thuringia/Generali tätig. Heute muss ich mich geradezu dafür schämen, meinen Kunden deren Produkte angetragen zu haben!

Wo bleibt die Pflicht der Versicherungsvermittler “im bestmöglichen Interesse der Versicherungsnehmer zu handeln” (IDD § 14 Abs. (2))?! Wie kann ein Versicherungsvermittler dieser Vorgabe überhaupt entsprechen, bei derartigen und anderen “Machenschaften” so manchen Versicherers?!

Aber WIR, die Versicherungsmakler, haben offenbar auf Alles zu achten und für Alles einzustehen!!!

    Ridschie Blanko
    Vor 4 Jahren

    Sehr gut Herr Speiser.

Hinterlasse eine Antwort