Bekamen Post von den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen: Bundeskanzler Olaf Scholz (links, SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) © picture alliance / photothek | Florian Gaertner
  • Von Andreas Harms
  • 24.02.2023 um 13:58
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Schon im vergangenen Jahr tat sich in der gesetzlichen Pflegeversicherung ein Milliardenloch auf. Und im laufenden Jahr wird es wohl noch größer. Weshalb Kassenverbände jetzt direkt von Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner Milliardenbeträge aus dem Steuersäckel fordern. Die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, befürchtet Schlimmes.

Die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen verlangen Milliardenbeträge aus dem Steuerhaushalt. In einem Brandbrief haben sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) aufgefordert, das Minus in der Pflegeversicherung mit Steuergeld auszugleichen. Das Schreiben liegt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vor. Unterzeichnet haben es alle Verbände der Kranken- und Pflegekassen sowie mehrere Sozialverbände und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege.

Demnach belaufe sich der kurzfristig benötigte Geldbedarf auf mindestens 4,5 Milliarden Euro. Bereits im abgelaufenen Jahr habe das Defizit der gesetzlichen Pflegeversicherung 2,25 Milliarden Euro betragen und im laufenden Jahr würden wohl weitere 3 Milliarden Euro hinzukommen.

Als wesentliche Gründe sehen die Unterzeichner des Briefes drei Treiber:

  • die wachsende Zahl der Pflegebedürftigen
  • die nun vorgeschriebenen Tarifgehälter für die Angestellten
  • die Mehrkosten durch die Corona-Pandemie, die der Bund nicht erstattet hat (5,5 Milliarden Euro)

Vor allem den dritten Punkt soll Berlin jetzt nachholen und außerdem die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige übernehmen. Das wären dann mal weitere 3 Milliarden Euro.

Die Punkte 1 und 3 fehlen auch in dem jüngst vorgelegten Referentenentwurf für ein Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG), wie die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann bemängelt. So sagt sie:

„Zwar sollen Leistungsverbesserungen wie beispielsweise die Dynamisierung der ambulanten Leistungsbeträge und die Ausweitung des Anspruchs auf Pflegeunterstützungsleistungen kommen. In dem Entwurf fehlt aber die Refinanzierung der Corona-bedingten Mehrkosten durch den Bund in Höhe von 5,5 Milliarden Euro. Vor allem aber fehlt die steuerliche Gegenfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, die bislang von der Pflegeversicherung bezahlt werden. Damit müssen sämtliche reformbedingte Mehrausgaben und das strukturelle Defizit durch die Beitragszahlenden finanziert werden.“

Bei den Leistungsverbesserungen halte die Koalition zwar Wort, bei der Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen stehle sie sich aus der Verantwortung, so Reimanns Fazit. Damit sei absehbar, dass die Maßnahmen mit höheren Beiträgen und weiteren Belastungen einhergehen werden.

Ins gleiche Horn stößt auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband) Dessen stellvertretender Vorstandschef, Gernot Kiefer, meint:

„Offensichtlich sind die Bundesregierung und ebenso die Länder nach wie vor nicht bereit, ihren Finanzverpflichtungen gerecht zu werden: Was Bundesaufgabe ist, muss vom Bund finanziert werden. Was Länderaufgabe ist, haben die Länder zu schultern. Es gilt: gesamtgesellschaftliche Verpflichtungen kann man nicht allein den Pflegebedürftigen aufbürden.“

Gleichwohl erkennt auch er an, dass die Regierung die Probleme in der Pflege angehen will. „Geplante Leistungsverbesserungen wie durch die Zusammenlegung der Budgets Kurzzeit- und Verhinderungspflege“ seien sinnvoll. Sie entsprächen der Lebensrealität der Pflegebedürftigen und verbesserten die Situation der Betroffenen.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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