Ein Mann mit einem Gipsbein. © Chinnapong/Shutterstock
  • Von Karen Schmidt
  • 08.01.2020 um 09:46
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Darf ein Versicherer einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung im Nachgang eine Ausschlussklausel hinzufügen, wenn der Kunde eine Gesundheitsfrage falsch beantwortet hat? Mit diesem Fall musste sich nun der Bundesgerichtshof befassen.

Was ist geschehen?

Ein Mann schließt 2009 über einen Versicherungsvertreter eine kapitalbildende Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) ab. In den Gesundheitsfragen verneint er die Fragen nach Krankheiten, Funktionsstörungen, Beschwerden und Behandlungen in den letzten fünf Jahren sowie nach OPs und stationären Aufenthalten in den letzten zehn Jahren – einschließlich der Frage nach „Unfällen (unerheblich sind einfache, folgenlos verheilte Knochenbrüche ohne Gelenkbeteiligung)“.

Tatsächlich hatte sich der Mann im November 2008 aber das linke Wadenbein gebrochen und war darum vom 12. bis 16. November 2008 in stationärer Behandlung. Davon erfährt der Versicherer im Rahmen der Leistungsprüfung wegen einer anderen Erkrankung des Mannes, die zwischen 2013 und 2015 zu Leistungen aus der BUZ führt.

Der Versicherer schließt rückwirkend daraufhin sämtliche Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit vom Versicherungsschutz aus, deren Ursache die Unfallverletzung am linken Außenknöchel des Fußes oder nachgewiesene Folgen dieses Leidens sind. Der Mann habe die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt, so der Versicherer.

Dagegen klagt der Mann; der Versicherer soll die Ausschlussklausel wieder aus dem Vertrag herausnehmen. Er haben gegenüber dem Versicherungsvertreter die Wadenbeinfraktur angegeben. Nach seinem damaligen Kenntnisstand habe es sich um einen komplikationslosen und verheilten Bruch ohne Verletzung des Sprunggelenks gehandelt. Der Vertreter habe ihm gesagt, die Fraktur müsse unter diesen Voraussetzungen nicht angegeben werden. Darauf habe er sich verlassen.

Die Urteile

Das Landgericht Landshut gibt dem Mann Recht (Aktenzeichen 73 O 3522/16), und auch das Oberlandesgericht München weist die Berufung der Versicherung ab (25 U 851/18). Der Anspruch der Versicherung auf eine Vertragsanpassung nach Paragraf 19 Absatz 4 Satz 2 VVG sei gemäß Paragraf 21 Absatz 3 Satz 1 VVG nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss erloschen.

Dem stehe der Eintritt des Versicherungsfalls im Jahr 2013, anlässlich dessen die Versicherung von der Fraktur erfahren habe, nicht entgegen. Denn für die Regulierung des Versicherungsfalls habe diese Information keine Bedeutung gehabt.

Auch der Bundesgerichtshof stellt sich auf die Seite des Kunden (IV ZR 247/18). Der Grund: Eine Anzeigepflichtsverletzung des Versicherungsnehmers setzt voraus, dass dieser „von einem gefahrerheblichen Umstand“ auch weiß. Der Mann ging bei Vertragsabschluss aber davon aus, dass eine Gelenkbeteiligung bei seinem Wadenbeinbruch im November 2008 nicht vorgelegen habe.

Er habe die Gesundheitsfrage daher nach „bestem Wissen und Gewissen“ beantwortet. Da der Versicherer nicht in der Lage war, das Gegenteil zu beweisen, hat der BGH die Revision des Anbieters zurückgewiesen.

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Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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