Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht am 6. April 2022 im Landtag. Die grün-schwarze Landesregierung will ihren Beamten künftig einen Zuschuss zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zahlen. Der Landesbeamtenbund und der PKV-Verband lehnen das Vorhaben ab. © picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod
  • Von Lorenz Klein
  • 26.04.2022 um 13:05
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Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg will ihren Beamten künftig einen Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zahlen. Der Beamtenbund des Landes warnt nun gemeinsam mit dem PKV-Verband vor den Folgen einer „pauschalen Beihilfe“ – und fürchtet einen Einstieg in die Bürgerversicherung.

Baden-Württemberg will seinen Beamten ab 2023 die Wahl zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung (PKV) erleichtern (wir berichteten). Doch der Plan der Landesregierung aus Grünen und CDU, Beamten eine pauschale Beihilfe als monatlichen Zuschuss zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu zahlen, stößt auf Widerstand – allen voran beim Landesbeamtenbund Baden-Württemberg (BBW).

So verweist der PKV-Verband in einer Stellungnahme auf Äußerungen von Landesbeamtenbund-Chef Kai Rosenberger hin, wonach es sich bei dem geplanten Gesetzentwurf um eine „Mogelpackung“ handle, wie Rosenberger den „Stuttgarter Nachrichten“ sagte. Demnach komme der Plan nur „auf den ersten Blick als mehr Wahlfreiheit daher“. Vielmehr sei die Gesetzesänderung jedoch mit „zahlreichen Nachteilen“ verbunden.

Aus dem Gesetzentwurf des Finanzministeriums des Landes geht hervor, dass gesetzlich versicherte Beamte zukünftig die Hälfte ihres Kassenbeitrags vom Dienstherrn erhalten sollen. Doch dem BBW stößt dabei besonders sauer auf, dass sich die Staatsbediensteten gleich zu Beginn ihrer Laufbahn unwiderruflich für eine Beihilfevariante entscheiden müssten. Dies ginge „besonders auf Kosten der jungen Berufsanfänger“, zitiert der PKV-Verband den Beamtenbund, denn diese müssten die Entscheidung in einer Lebensphase treffen, in der die Karriere- und Familienplanung häufig noch nicht abgeschlossen sei.

Kritik an „Insellösungen“

Darüber hinaus setze die „pauschale Beihilfe“ den Beamten auch regionale Grenzen, weil sie bislang nur in wenigen Bundesländer existiere. Demnach ist die zum 1. August 2018 im Land Hamburg eingeführte „pauschale Beihilfe“ als sogenanntes Hamburger Modell bisher von diesen vier Ländern übernommen worden: Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen.

Diese „Insellösungen“ seien ein handfester Nachteil für Beamte, die aus privaten Gründen oder wegen reizvoller Stellenangebote in andere Bundesländer ohne „pauschale Beihilfe“ umziehen wollten, monieren BBW und PKV-Verband. Das liege daran, dass es eine Bedingung sei, dass die Beamten ihren Anspruch auf die individuelle Beihilfe des Dienstherrn unwiderruflich aufgeben. „Ohne GKV-Zuschuss müssten sie dann den gesamten Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung komplett selbst zahlen“ heißt es seitens der Kritiker.

„Höhere Beitrag für einen geringeren Leitungsumfang“

Zudem verweist der PKV-Verband darauf, dass die Beamten bei einem Wechsel in die GKV einen höheren Beitrag für einen geringeren Leitungsumfang zahlen müssten. Für einen Durchschnittsverdiener mit einem Jahresbruttoverdienst von 38.901 Euro würden in der GKV 2022 pro Monat rund 258 Euro für den Beamten fällig, bei Einkünften an der Beitragsbemessungsgrenze seien es pro Monat sogar 384 Euro – in den Beamtentarifen der PKV betrage der Durchschnittsbeitrag derzeit hingegen nur rund 211 Euro, rechnet der PKV-Verband vor – zumal gesetzlich versicherte Beamten im Pensionsalter als „freiwillig Versicherte“ neben der Pension auch auf alle weiteren Einkünfte wie Kapitalerträge oder Mieteinkünfte den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag von derzeit rund 19 Prozent abführen müssten – bis zu einem Gesamtbeitrag von zurzeit 769 Euro im Monat.

PKV-Verband warnt vor „Kostenexplosion“…

„Die Zahlen zeigen, dass die meisten Beamten bei der pauschalen Beihilfe draufzahlen“, findet der PKV-Verband – und das gelte auch für Steuerzahler, auf die eine „regelrechte Kostenexplosion“ zukomme. Demnach erreichten die vom Finanzministerium prognostizierten Gesamtkosten der pauschalen Beihilfe bis zum Jahr 2040 bereits rund 730 Millionen Euro, bis zum Jahr 2050 sogar rund 1,6 Milliarden Euro – bis zum Jahr 2060 addierten sich die Zusatzkosten dann auf mehr als 2,7 Milliarden Euro, so der Verband. Auf den Landeshaushalt Baden-Württembergs komme somit „eine gewaltige selbstgemachte Kostenwelle zu – Geld, das dann für andere Aufgaben und Leistungen zum Beispiel in der Bildung oder bei der Polizei fehlen wird“, so die Kritik. 

…und Bürgerversicherung

Abschließend betont der PKV-Verband, dass die Sorge des Beamtenbundes, wonach das „Hamburger Modell“ einer Bürgerversicherung den Weg ebne, „nicht von ungefähr“ komme. Denn das Modell werde neben dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vor allem von SPD und Grünen vorangetrieben – also jenen Parteien, die die „pauschale Beihilfe“ in vier Bundesländern bereits mit eingeführt haben und die zugleich für eine Bürgerversicherung einstehen.

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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