Wachstum und Storno der Lebensversicherer haben sich in der Corona-Krise als robust erwiesen. © picture alliance / Zoonar | wolfilser
  • Von Achim Nixdorf
  • 02.07.2021 um 14:54
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Die Lebensversicherer sind mit ihren Beständen bislang gut durch die Corona-Krise gekommen. Wachstum und Storno haben sich als robust erwiesen und dürften von künftigen Lockerungsschritten weiter profitieren. Zu diesem Fazit kommt die Ratingagentur Assekurata. Wegen der anhaltenden Zinsmisere an den Kapitalmärkten sehen die Analysten allerdings das Ende einer Ära gekommen, was für die Branche nichts Gutes verheißt.

Der Bund der Versicherten (BdV) hatte kürzlich mit einer Meldung für Aufregung gesorgt, wonach fast die Hälfte der deutschen Lebensversicherer finanziell angeschlagen sei (wir berichteten). Das will die Ratingagentur Assekurata auf Basis ihres aktuellen Marktausblicks in dieser Deutlichkeit nicht teilen. So erwiesen sich die Anbieter auch in der Pandemie als durchaus robust.

„Der leichte Bestandsrückgang bei den laufenden Prämien von 0,8 Prozent konnte durch den Zuwachs bei den Einmalprämien weitgehend aufgefangen werden, so dass die Branche unter dem Strich eine rote Null verzeichnet hat“, sagt Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will. „Die Versicherer sind bestandseitig also überraschend gut durch die Krise gekommen.“ Die Einnahme-Entwicklung zeigt die folgende Grafik.

Quelle: Assekurata
„Eine neue Ära beginnt“

Im Neugeschäft haben sich besonders Fondspolicen gut entwickelt. Nach Einschätzung von Assekurata werden die Anbieter in diesem Segment die Wachstumsbemühungen weiter ausbauen, nicht zuletzt aufgrund der beschlossenen Höchstrechnungszinsabsenkung ab 2022. „Bei einem künftigen Rechnungszins von 0,25 Prozent sind vollständige Kapitalgarantien auf die eingezahlten Beiträge kalkulatorisch kaum mehr möglich, so dass für die Lebensversicherungsprodukte spätestens ab kommendem Jahr eine neue Ära beginnt“, prognostiziert Will.

Nullzinsumfeld hinterlässt Spuren

Laut Assekurata hatten die Lebensversicherer Ende 2020 etwa 83 Prozent ihrer Kapitalanlagen in festverzinslichen Anlagen investiert und waren damit besonders von den seit Jahren vorherrschenden Niedrigzinsen betroffen. „Zwar ist das Zinsniveau seit Jahresbeginn etwas gestiegen, eine nachhaltige Trendumkehr können wir darin aber noch nicht erkennen“, sagt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata.

Auch in den kommenden Jahren werden die Lebensversicherer demnach weitere Zinszusatzreserven (ZZR) zur bilanziellen Absicherung ihrer Altgarantien bilden müssen. Unter der Annahme eines gleichbleibenden Zinsniveaus haben die Assekurata-Analysten hierzu aktuell ermittelt, dass die ZZR branchenweit noch bis 2027 auf insgesamt knapp 130 Milliarden Euro ansteigen wird.

„Ausgehend vom vorhandenen ZZR-Bestand von 87 Milliarden Euro ist die ZZR derzeit marktweit zu rund 70 Prozent ausfinanziert“, rechnet Lars Heermann vor. Aus seiner Sicht seien die Unternehmen insoweit auf einem guten Weg, zumal das seit Jahresanfang gestiegene Zinsniveau die Finanzierungsbedingungen etwas erleichtere.

„Trotzdem sollten sich die Lebensversicherer weiterhin auf auskömmliche und eigenmittelschonende Geschäftsfelder konzentrieren“, rät der Assekurata-Bereichsleiter. „Dies gilt nicht nur mit Blick auf ihre Erträge in der Bilanz, sondern auch auf die Kapitalanforderungen unter Solvency II, die im Zuge des europäischen Reformprozesses für viele deutsche Lebensversicherer künftig noch strenger ausfallen werden.“

Ertragsstruktur verändert sich

Das langanhaltende Niedrigzinsumfeld schlägt sich mittlerweile bereits deutlich in der Ertragsstruktur der Lebensversicherer nieder. Als Beleg hierfür hat Assekurata ermittelt, wie stark die Prämieneinnahmen in zwei unterschiedlichen Fünfjahreszyklen jeweils zum Rohüberschuss beigetragen haben und aus welchen Ergebnisquellen dieser gespeist wird. So betrug der gesamte Branchen-Rohüberschuss in den Jahren 2015 bis 2019 durchschnittlich 12,2 Prozent der gebuchten Bruttoprämien. In den fünf Jahren davor war er mit 15,7 Prozent noch deutlich höher gewesen (siehe Grafik).

Quelle: Assekurata

„Des Weiteren hat das Risiko- dem Kapitalanlageergebnis mittlerweile den Rang als wichtigste Ergebnisquelle deutlich abgelaufen, was auf die niedrigen Zinsen in der Neuanlage und insbesondere auf die hohen ZZR-Anforderungen für die Hochzinsgarantien zurückzuführen ist“, erläutert Lars Heermann. „Zudem spielen Produkte, die besonders auf das Risikoergebnis einzahlen, wie beispielsweise Berufsunfähigkeitsversicherungen, eine immer größere Rolle im Neugeschäft.“

Neuausrichtung der Kapitalanlagen

Neben der Neuausrichtung ihrer Geschäftsfelder versuchten die Anbieter deshalb auch vermehrt, ihre Kapitalanlage stärker zu diversifizieren, beispielsweise durch Neuanlagen in Immobilien und Infrastruktur. Auch Unternehmensanleihen und Private-Debt-Finanzierungen, also die Bereitstellung von Fremdkapital durch institutionelle Investoren außerhalb des Kapitalmarktes, gehörten zu den favorisierten Investments (siehe Grafik). „Die Suche nach neuen Anlagesegmenten unterstreicht die Bemühungen der Gesellschaften, trotz anhaltend niedriger Zinsen die Renditefähigkeit ihrer Deckungsstöcke aufrechtzuerhalten“, so Lars Heermann.

Quelle: Assekurata

Den Assekurata-Marktausblick zur Lebensversicherung 2022/2023 können Sie hier kostenpflichtig bestellen. Er enthält auch Ausblicke zur privaten Krankenversicherung und zur Schaden/Unfallversicherung.

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Achim

Achim Nixdorf

Achim Nixdorf ist seit April 2019 Content- und Projekt-Manager bei Pfefferminzia. Davor arbeitete er als Tageszeitungs- und Zeitschriftenredakteur mit dem Fokus auf Verbraucher- und Ratgeberthemen.

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