Norbert Piechowiak ist Geschäftsführer der Helvetia Leben Maklerservice © Helvetia
  • Von Oliver Lepold
  • 23.04.2019 um 09:12
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Wenn sich die niedrige Risikotoleranz des Kunden nicht mit seinen Anlagezielen vereinbaren lässt, stehen Berater oft vor einem Problem. Norbert Piechowiak, Geschäftsführer der Helvetia Leben Maklerservice, erläutert passende Beratungsansätze.

Pfefferminzia: Wie sollten Berater die Risikotoleranz eines Kunden möglichst effektiv erfassen?

Norbert Piechowiak: Der Berater muss innerhalb der Angemessenheits- und Geeignetheitsprüfung den Kunden über Risiken aufklären und die Risikotoleranz abfragen. Wichtig ist hierbei, nicht direkt den Begriff „Risikoklassen“ zu verwenden, da diese sich je nach Produktkategorie stark unterscheiden. So gibt es fünf Chancen-Risiko-Klassen bei der Basis-, Rürup- und Riesterrente, sieben Risikoklassen bei privaten Rentenversicherungen und nochmals sieben andere Risikoklassen in den Dokumenten zu Fondsdirektanlagen im Depot. Der Königsweg ist daher die Abfrage einer allgemeinen Risikotoleranz oder Risikoneigung, um dann die Kundenantwort den jeweiligen Schichten und Produkten zuzuordnen.

Bei der in Deutschland verbreiteten sehr niedrigen Risikotoleranz können angesichts der Niedrigzinsphase viele gewünschte Anlageziele nicht erreicht werden. Bitte geben Sie uns ein konkretes Beispiel, welches das Dilemma verdeutlicht.

Ein 40-jähriger Durchschnittsverdiener mit 38.000 Euro pro Jahr muss in der heutigen Zeit eine Rentenlücke von monatlich netto circa 1.000 Euro schließen. Diese ergibt sich ohne weitere vorhandene Vorsorge aus einem Rentenwunsch von 80 Prozent seines aktuellen Bruttoseinkommens und der vorhandenen gesetzlichen Rente von monatlich rund 1.200 Euro. Mit einem klassischen Produkt oder einer Fondspolice mit Beitragsgarantie kostet ihn das einen Beitrag von monatlich rund 750 Euro. Wenn dieser Kunde aber nur 300 Euro monatlich investieren kann, was ja schon sportlich ist, bleiben noch circa 600 Euro Lücke übrig. Alternativ benötigt er bei gleichem Beitrag eine Rendite von rund 6 Prozent pro Jahr in der Ansparphase und 5 Prozent pro Jahr in der Rentenphase, um die Lücke komplett zu schließen.

Zielerreichung und geringe Risikotoleranz können also in der Regel nicht beide eingehalten werden?

Nein, denn Kunde und Berater stehen vor einem Dilemma: Entweder der Kunde reduziert sein Ziel und den Lebensstandard von 80 auf 60 Prozent seines letzten Bruttoeinkommens, dann könnte er sein Kapital mit einer sicheren Anlage aufbauen, oder er bleibt bei seinem Beitrag und Ziel und muss etwas mehr Risiko in der Spar- und Rentenphase eingehen. Und bei dieser Berechnung wurde die Inflation noch nicht einmal berücksichtigt!

Was kann der Berater hier tun?

Er kann dem Kunden deutlich machen, was Risiko bei einem Fondssparplan oder einer Fondspolice bedeutet. Risiko bedeutet sicherlich kurzfristige Schwankungen – langfristig aber meist eine ordentliche Rendite. So hat der Dax in der Vergangenheit über 30 Jahre Laufzeit noch nie unter 5 Prozent pro Jahr gelegen. Je länger die Anlagedauer, desto geringer die Risiken.

Wofür entscheiden sich Kunden in der Beratungspraxis: Wird eher am Anlageziel oder am Risikoprofil geschraubt, um die Ziele über das Investment realisierbar zu machen?

Der allgemeine Trend zu Fondspolicen zeigt: Viele Kunden, die auf einen reduzierten Lebensstandard durch eine zu konservative Anlage in der Beratung hingewiesen werden, verändern lieber die eigene Risikotoleranz. Das Ziel eines angenehmen Ruhestandes ist vielen Kunden wichtiger. Es gibt aber auch welche, denen der Lebensstandard später nicht so wichtig ist und die lieber bei einer Garantieanlage bleiben. In beiden Fällen muss der Berater dies dokumentieren. Bei Garantiepolicen muss er dokumentieren, dass das Anlageziel nicht erreicht wird und bei Fondspolicen, dass die Risikotoleranz erhöht wurde.

Inwieweit hat sich die Risikotoleranz der Deutschen nach mehr als zehn Jahren Niedrigzinsphase überhaupt bewegt? Könnte eine bessere Finanzbildung Abhilfe schaffen?

Die Risikotoleranz der Deutschen verändert sich nur sehr langsam. Fonds und Aktienanlagen gelten zumindest nicht mehr generell als Teufelswerk. Leider schreitet die Entwicklung immer noch zu langsam voran. Vielleicht auch, weil in der Beratung aus Angst vor dem Nein zu wenig darüber gesprochen wird. Kommunikation ist hier alles. Aus diesem Grunde bietet die Helvetia Leben Akademie seit 2019 die Investmentakademie an. Ziel der dreitägigen Schulung, die Helvetia Leben Akademie zusammen mit externen Referenten durchführt, ist es, Berater fit für Kundengespräche im Investmentbereich zu machen. Nur wenn in den Köpfen aller Berater neben den Risiken auch die Chancen einer Sachwertanlage in Aktien verankert sind, können auch die Kunden deutlich risikotoleranter reagieren.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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