Vertriebstrainer Andreas Buhr ©
  • Von Redaktion
  • 11.08.2014 um 10:47
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Um gute Vertriebsmitarbeiter zu motivieren braucht es keine Reisen. Davon ist Andreas Buhr überzeugt. Warum der Vertriebstrainer Incentives im Finanzvertrieb trotzdem für unerlässlich hält, was er an der Diskussion um die Budapest-Reise von Ergo lächerlich findet und wie Vertriebsmitarbeiter einem Burnout vorbeugen können.

Pfefferminzia: In den vergangenen Jahren taucht der Begriff Burnout immer häufiger in der öffentlichen Diskussion auf. Die Finanzbranche gilt da als Spitzenreiter. Modeerscheinung oder ein ernst zu nehmendes Problem?

Andreas Buhr: Gemessen am Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre stieg der Anteil der Burnout-Fälle in den letzten zwölf Monaten um 80 Prozent. Hinzu kommt vermutlich eine hohe Dunkelziffer. Schließlich kann es karriereschädigend sein, eine psychische Erkrankung wie Burnout gegenüber seinem Arbeitgeber zu erwähnen. Von einer Modeerscheinung kann unter diesen Umständen keine Rede sein.

Und woran liegt das?

Durch die Technologie und neue Medien wie Tablets und Smartphones sind Menschen auch in ihrer Freizeit ohne weiteres für Arbeitgeber und Kunden erreichbar. Der Druck und die Hektik steigen. Im Finanzvertrieb kommen noch  Regulierungsmaßnahmen wie Mifid und  die VVG-Reform hinzu. Sie erhöhen zwar die Beratungsqualität, erschweren aber durch den hohen Bürokatie-Aufwand die Arbeitsbedingungen. Außerdem steigt der Wettbewerbsdruck. Das bekommt der Vertrieb deutlich zu spüren.

Übertreiben die Vertriebsmitarbeiter nicht ein bisschen? Schließlich ist die 40-Stunden-Arbeitswoche eine relativ junge Errungenschaft. Im 19. Jahrhundert mussten die Menschen viel länger und härter arbeiten – Burnout-Epidemien hat es da aber trotzdem nicht gegeben.

Das kann man nicht vergleichen. Im 19. Jahrhundert hatten die Menschen nichts zu verlieren. Sie waren harte Arbeit gewohnt. Das gilt auch für die Nachkriegsgeneration. Die darauffolgende Generation hingegen ist eher behütet aufgewachsen. Sie kennt richtige Existenzsorgen nicht, musste nie ums Überleben kämpfen, hatte nie wirklich ihre Problemlösefähigkeiten trainieren müssen. Bei existenziellen Problemen verhalten sich die heutigen Arbeitnehmer wie nicht trainierte Sportler, die plötzlich einen Marathon laufen müssen. Schauen Sie sich doch mal die Arbeitnehmer in China an. Ihre Arbeitsbedingungen sind wesentlich härter als die in der westlichen Welt doch nur die wenigsten beschweren sich darüber. Schließlich wissen die Menschen dort noch, wofür sie kämpfen.

Sie sagen, dass Vertriebsmanager meist Alphatiere seien. Woran machen Sie das fest?

Die Finanzbranche ist ein Verkäufer-Markt. Im Gegensatz zu Unternehmen wie Apple oder Rolex, deren Produkte Menschen von sich aus kaufen wollen, müssen Finanz-und Versicherungsvermittler selbst Initiative zeigen. Denn während Kunden bei Produktverkäufern sofort eine Gegenleistung bekommen, erhalten sie bei Finanz- und Versicherungsprodukten lediglich die Hoffnung, dass sich das Vermögen mehrt, oder dass sie im Alter gut abgesichert sind. Dafür müssen sie aber jetzt auf Annehmlichkeiten verzichten und Geld sparen. Und wer spart schon gerne? Es kann schon ein anstrengender Prozess sein, Menschen von den Vorteilen der Altersvorsorge zu überzeugen.

Und was hat das mit Alphatieren zu tun?

Als Alphatiere gelten Menschen, die gerne die Initiative ergreifen und Verantwortung übernehmen. Sie sind Erfolgs-Sucher, keine Misserfolgs-Vermeider. Sie zeigen Ehrgeiz und stellen sehr hohe Ansprüche an sich selbst. Das alles sind Charaktereigenschaften erfolgreicher Vertriebskräfte. Doch gerade diese hochmotivierten Menschen sind eher Burnout gefährdet.

Der Wettbewerb ist gerade im Finanz- und Versicherungsvertrieb das A und O. Ohne Zielvereinbarungen, erfolgsabhängige Bezahlmodelle, interne Vergleiche läuft nichts. Sollen Führungskräfte darauf verzichten, Leistungen entsprechend zu honorieren, nur um der Burnout-Gefahr bei Mitarbeitern vorzubeugen?

Natürlich nicht. Es kommt aber auf das richtige Maß an. Als Führungskraft habe ich die Verantwortung zu erkennen, wenn ein Mitarbeiter sich selbst überfordert. Dann muss ich das Gespräch mit ihm suchen.

Und ihn auffordern, sein Engagement runterzufahren?

Bloß nicht. Der Chef muss subtil vorgehen. Er muss den Mitarbeiter für die erbrachten Leistungen loben, erzählen lassen, wie er das gemacht hat aber auch geschickt darauf hinweisen, dass es ein Leben außerhalb der Arbeit gibt. Außerdem kann er dem Mitarbeiter zum Beispiel einen Gutschein für ein Wellness-Wochenende schenken oder ihn zum Gesundheitscheck schicken. Auch Maßnahmen, die den Teamgeist stärken, können Wunder wirken.

Welche Maßnahmen könnten das sein?

Es kommt auf die Mannschaft an. Kegelabend, eine Einladung zum Grillen, oder eine Reise eben alles, was die Zielgruppe interessiert und ihr Wir-Gefühl fördert. Das Ziel ist es, Gemeinsamkeiten zu spüren und eine Identifikation mit dem Unternehmen zu entwickeln.

Auch eine Reise im Stil der Ergo-Versicherung?

Warum nicht? Ich finde die ganze Aufregung um diese Budapest-Reise total lächerlich. Für die Branche ist Ergo eine Art Blitzableiter: Während sich die öffentliche Empörung auf Ergo konzentriert, kommen andere Versicherer ungeschoren davon. Ich kenne nämlich kein einziges Unternehmen, das keine Incentives einsetzt. Der Vertrieb braucht Incentives und das kann auch ruhig eine Reise sein.

Nach Budapest?

Nicht unbedingt, in Europa gibt es genügend andere Hauptstädte. Doch es ist wichtig, dass das Vertriebsteam gemeinsame Rituale erlebt. Schließlich sind Vertriebsmitarbeiter Einzelkämpfer, die täglich mit Ablehnung dem „Nein“ potenzieller Kunden klarkommen müssen. Da ist es wichtig, dass sie sich mit anderen Einzelkämpfern, deren Schicksal sie teilen auch mal austauschen können.

Und motiviert werden.

Das ist gar nicht nötig. Gute Verkäufer sind gut, weil sie gerne gut sind. Die Reise nehmen sie mit, weil sie dort auf Andere treffen, die ebenfalls gerne gut sind. Schließlich verbringen Menschen gerne Zeit mit Gleichgesinnten egal ob in Budapest oder in Wolfsbüttel.

Worauf müssen die Vertriebsmitarbeiter selbst achten um nicht auszubrennen?

Auf ihre innere Stimme. Sie müssen merken, wann ihr Körper „Stopp“ sagt. Dann ist es höchste Zeit, eine Pause einzulegen. Das muss man vor allem Männern sagen. Denn Frauen hören meistens auf ihre innere Stimme. Männer hingegen reden sie oft tot mit gravierenden Folgen.

Zum Autor: Andreas Buhr ist Trainer, Dozent, mehrfacher Buchautor und Vorstand der Buhr & Team Akademie für Führung und Vertrieb in Düsseldorf.

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