Uwe-Matthias Müller, Bundesverband Initiative 50Plus © Bundesverband Initiative 50Plus
  • Von Redaktion
  • 07.09.2015 um 13:40
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Uwe-Matthias Müller, Bundesverband Initiative 50Plus, über Chancen und Mankos vieler Finanzberater im Umgang mit der lukrativen Zielgruppe.

Pfefferminzia: Wer verbirgt sich hinter dem Sammelbegriff „Zielgruppe 50plus“?

Uwe-Matthias Müller: Die Zielgruppe 50plus ist aufgrund der Altersstruktur von 50 bis 100 Jahren sehr heterogen. Wir fokussieren uns auf die Gruppe der 50- bis 75-Jährigen, die noch im Beruf und vor dem oder im Übergang in den Ruhestand stehen. Insgesamt sind 34 Millionen Menschen in Deutschland über 50 Jahre alt. Etwa 8,5 Millionen davon sind wirtschaftlich besser gestellt als der Durchschnitt. Dieses Segment ist besonders interessant für Finanzberater.

Was müssen Berater in der Ansprache beachten?

Vor allem drei Aspekte. Erstens: Beratung auf Augenhöhe. Einem 55-Jährigen kann kein 25-Jähriger gegenüber sitzen, denn ohne eine gewisse Lebenserfahrung keine Akzeptanz beim Kunden. Zweitens: die Finanzberatung zielt meist sehr stark auf Produkte ab, das interessiert diese Kunden aber gar nicht. Sie verlangen Lösungsansätze. Und drittens: Die Zielgruppe 50plus reist sehr gerne, ist bildungshungrig und sehr stark gesundheitsorientiert. Ein Berater muss diese Themen aufgreifen und mit der Beratung verknüpfen. Wer erfolgreich beraten will, muss sich zum ganzheitlichen Berater des Kunden machen und nicht als Produktverkäufer agieren.

Wie lassen sich nachhaltig Neukunden in diesem Segment gewinnen?

50plus-Kunden haben ein sehr starkes Informationsnetzwerk und Bildungsbedürfnis, sie beziehen ihre Informationen aus der Presse und aus ihrem eigenen Netzwerk. Empfehlungen von Bekannten und Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel dem Bundesverband Initiative 50Plus spielen hier eine wichtige Rolle. Der freie Vertrieb steht hier nicht automatisch auf der Liste, hat aber sehr gute Karten, wenn er schlüssig darlegen kann, welchen Mehrwert er gegenüber den angestellten abhängigen Vermittlern der Banken und Versicherungen bietet.

Was machen viele Berater im Umgang mit 50plus-Kunden falsch?

Häufig wird der Kunde nach Umfang des Vermögens oder nach bereits abgeschlossenen Verträgen und den Aktien im Portfolio eingestuft. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass sehr viele Menschen eine Immobilie ihr Eigen nennen. Diese ist häufig zu groß, weil die Kinder aus dem Haus sind oder sie liegt in einer Gegend, in der aufgrund des demografischen Wandels Preisverfall droht. Das muss einbezogen werden. Man muss auch bei einem 60-Jährigen die Lebensplanung für die nächsten 20 Jahre beachten und daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Das Potenzial des Themas Wiederanlage etwa wird bei weitem nicht genutzt.

Inwieweit hat die Branche ausreichend zielgruppenspezifische Produkte für Menschen im 6. Lebensjahrzehnt und darüber hinaus entwickelt?

Es mangelt nicht an Produkten, sondern an Qualität. Häufig wird nur ein Mäntelchen „50plus“ umgehängt, ohne konkret auf die Bedürfnisse der Zielgruppe einzugehen. Es gibt aber auch positive Ansätze. Standard Life etwa hat mit Park Allee ein spezielles Produkt für Kunden über 50 herausgebracht. Und auch die VPV und die Württembergische Versicherung bieten mit der Privathaftpflicht-55-Plus sowie einer ambulanten Krankenzusatzversicherung zugeschnittene Produkte an. Damit einher geht auch das Bemühen, den Beratern klarzumachen, wie die Zielgruppe tickt und wie man am besten mit ihr umgeht. Im Ausland ist man weiter, in den USA oder in England zum Beispiel ist das Umkehrdarlehen oder Reverse-Mortgage-Modell sehr verbreitet. Ein solches Modell erlaubt auch im hohen Alter eine ordentliche Liquidität.

Passt es zur deutschen Mentalität, ein Haus, auf das man ein Leben lang gespart hat, im Alter „zu verzehren“ und nicht zu vererben?

Die Vererbungsmentalität hat sich geändert. Die heute 50-Jährigen sind der Meinung, sie haben den Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht und geben gern auch eine Schenkung oder ein Auto dazu, aber das genügt dann auch. Ihnen ist klar, dass die staatliche Altersvorsorge nicht ausreichen wird, um ihren Lebensstandard im hohen Alter zu halten. Andererseits hat die deutsche Mentalität tatsächlich ein Problem mit Umkehrdarlehen. Aber dann muss man die Mentalität eben ändern und entsprechend beraten. Wer in einem nicht altersgerechten Haus sitzt, bei dem er die Zimmer-Türen abschließen muss, weil es zu groß ist, kann durch die richtige Aufklärung in Verbindung mit intelligenten Produktangeboten überzeugt werden.

Inwieweit setzt sich Ihr Bundesverband Initiative 50Plus für neue Beratungsstandards ein?

Wir haben gemeinsam mit der Deutschen Maklerakademie DMA Lehrgänge entwickelt, die darauf abzielen, Finanzberater zu echten Lebensberatern ihrer Kunden auszubilden und ihnen das Wissen an die Hand zu geben, um die Zielgruppe 50plus zu verstehen. Die Zielgruppe der jetzt 50- bis 75-Jährigen wird für die Finanzbranche noch mindestens weitere zehn Jahre wirtschaftlich extrem attraktiv sein. Wir unterstützen auch Mitarbeiter in Unternehmen, die den Übergang in die Nacherwerbsphase strukturiert angehen. Dazu gehört natürlich auch die Finanzplanung. Und wir führen private Vorsorgeabende durch, das Thema Erben und Schenken etwa interessiert die Zielgruppe ungemein.

Mehr Informationen zum Bundesverband Initiative 50Plus: http://www.bundesverband-initiative-50plus.de

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