Wird die Altersarmut in Deutschland doch nicht so schlimm? © Panthermedia
  • Von Redaktion
  • 26.04.2016 um 14:18
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Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat die „Unstatistik des Monats“ gekürt. Den Zuschlag erhält eine Meldung des WDR, die der Hälfte der deutschen Arbeitnehmer ein späteres Abrutschen in die Altersarmut vorhersagt. Wie hoch die Zahl wohl eher sein wird, lesen Sie hier.

Fast jedem Zweiten droht eine Armutsrente“ meldete der WDR vor ein paar Tagen. Die Zahl schlug ein, derzeit wird eine intensive politische Debatte um eine Rentenreform hierzulande geführt. Jetzt hat das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) aber die Analyse des WDR zur „Unstatistik des Monats“ gewählt. Der Grund: Die Forscher halten 5 Prozent für die wahrscheinlichere Prognose.

„Das Vorgehen des WDR scheint zunächst plausibel. Er ließ sich die augenblickliche Verteilung des Arbeitseinkommens auflisten, nahm an, dass diese auch in Zukunft so bestehen bleibt, und errechnete dann die Rentenansprüche für das bereits jetzt festgelegte niedrigere Rentenniveau im Jahr 2030. Nach dieser Rechnung liegen in der Tat 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an oder unter der Grundsicherungsgrenze“, schreibt das Institut auf seiner Webseite.

Der erste Denkfehler dabei sei ein Klassiker in der Statistik: „Aus Daten eines heutigen Querschnitts kann man nicht auf die Dynamik eines zukünftigen Erwerbslebens schließen“, heißt es weiter. Das Institut bringt dafür ein Beispiel: „Wenn alle Menschen die erste Hälfte ihres Lebens in Ausbildung mit einem sehr geringen Gehalt verbringen und dann anschließend in der zweiten Lebenshälfte ein so hohes Einkommen hätten, sodass sie auf das ganze Leben bezogen genau das heutige Durchschnittseinkommen erzielten, dann würde die WDR-Methode Altersarmut für die Hälfte der Bevölkerung prognostizieren. Richtig berechnet würde in diesem Beispiel jedoch kein einziger Mensch altersarm werden.“

Aufmerksamkeit in Sachen Altersarmut ist trotzdem richtig

Der zweite Fehler sei ein Klassiker in der Sozialpolitik: Grundsicherung werde nicht auf das individuelle Arbeitseinkommen bezogen, sondern auf das Gesamteinkommen eines Haushalts. Und das liege in der Regel deutlich über dem Arbeitseinkommen einer einzelnen Person. „Laut der WDR-Methode erschiene in einer Ehe mit einem viel und einem wenig verdienenden Partner eine Person altersarm. Nach richtig angewendetem Recht wäre der Haushalt jedoch keineswegs altersarm“, stellen die Forscher klar.

Das Fazit des Instituts: Auch wenn die WDR-Rechnung das Problem der Altersarmut in grotesker Weise überschätze, sei erhöhte Aufmerksamkeit geboten. „Berechnungen des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium aus dem Jahr 2013 kommen im pessimistischsten Szenario auf einen Anstieg der Grundsicherungsempfänger von derzeit 3,0 auf 5,4 Prozent, also fast eine Verdoppelung.“ Dennoch: eine Null weniger als beim WDR.

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